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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sagte er sich. Die Sümpfe. Du wirst dort sicher sein. Und später Miami. Beatrice, wenn sie ihre Entscheidung getroffen hat, worum es sich dabei auch immer handelt.
    Aber alles, was ihm in den Sinn kam, war sein Versprechen an Ben, mit ihm und seiner Schwester nach Louisiana zu reisen. Die Gewissheit, Zeit dafür zu haben. Alle Zeit der Welt.
    Neil starrte zu den Sternen empor und versuchte, die Bilder auszumachen, die ihm seine Mutter einmal gezeigt hatte. Die Luft, die ihn umgab, die warme, träge Luft des Südens, vertrieb die Kälte aus seinen Gliedern. Es war eine windstille Nacht; er hörte noch nicht einmal die Maisstauden rascheln.
    Er registrierte die Flugzeuge, noch ehe er etwas sah, und da seine Gedanken immer noch um Somalia und Ben kreisten, dachte er eine Sekunde lang benommen, es würde sich um eine der Maschinen handeln, die Einsatztruppen ausflogen. Dann kehrte er in die Wirklichkeit zurück und kniff die Augen zusammen. Der Mond war noch zu zwei Dritteln sichtbar, und die Nacht war klar, also konnte er die dunklen Umrisse und das Feuer der Triebwerke am Himmel ausmachen. Zwei Düsenjäger, die im Abstand von etwa tausend Metern links von seinem Standort sehr tief flogen.
    Okay, LaHaye, befahl er sich, nimm dich zusammen. Die Welt dreht sich nicht nur um dich. Die Wahrscheinlichkeit, dass die beiden da oben etwas mit dir zu tun haben, ist nicht besonders hoch. Wenn dir jemand gefolgt wäre, dann säßest du bereits fest, und wenn dir niemand gefolgt ist, dann kann auch niemand wissen, dass du in diesem Maisfeld liegst. Nimm dich zusammen und schlaf, bevor du noch die nächste Maus als CIA-Agenten einstufst.
    Die Turbinen der Düsenjäger waren noch nicht ganz verklungen, als Neil zwei weitere ausmachte, die aus der gleichen Richtung wie die ersten beiden kamen, aber diesmal von der rechten Seite.
    Es ist nicht Verfolgungswahn, teilte ihm seine innere Stimme mit, wenn sie wirklich hinter dir her sind.
    Aber es ergab keinen Sinn. Hubschrauber, ja, Hubschrauber hätten mit Scheinwerfern die Gegend absuchen können. Düsenjäger, selbst tief fliegende Düsenjäger… Er versuchte sich zu erinnern, was ihm die Soldaten über solche Maschinen und Überwachung erzählt hatten. Das dritte Paar erschien schon am Firmament, als sein übermüdetes Gedächtnis ihm die Erklärung gab, nach der er suchte. Wärmekameras. Kameras, die ungewöhnliche Wärmequellen in freier Landschaft ausmachten. So fand man vermisste Soldaten, die sich nicht mehr melden konnten.
    Er fluchte in die Nacht hinein, stand auf und startete das Motorrad. Durch die Dunkelheit zurück zur nächsten belebten Straße zu finden, während es ihm so vorkam, als blieben die Motorgeräusche der Flugzeuge ständig hinter ihm, kam ihm wie ein Spießrutenlauf mit verbundenen Augen vor. Sein Herz pochte, und der Pulsschlag in seinen Ohren übertönte bald die Echos der Motoren.
    Als er an der Hauptstraße abbiegen musste, gestattete sich Neil einen Blick zurück und stellte fest, dass inzwischen tatsächlich Hubschrauber die Düsenjäger abgelöst hatten. Er bildete sich sogar ein, Umrisse von Fallschirmspringern zu erkennen, doch er blieb nicht lange genug stehen, um seiner Sache sicher zu sein.
    Erst als er wieder auf dem Highway war, wurde er etwas ruhiger. Er war noch immer zu ausgepumpt und erschöpft, um lange weiterzufahren; zumindest einen Kaffee brauchte er. Auf dem Parkplatz der nächsten Kneipe stand neben zahlreichen Trucks auch ein Streifenwagen. Weiterfahren?, fragte sich Neil. Nein. Jim Brodie brauchte einen einzelnen Streifenwagen nicht zu fürchten; er war nur einer von vielen.
    Die abgestandene Luft der Kneipe schlug Neil voll entgegen, als er die Tür öffnete. Niemand schaute auch nur auf; die meisten der nächtlichen Gäste konzentrierten sich auf den Fernseher, der die Baseball-Ergebnisse brachte.
    »Wenn die Scheiß-Yankees wieder gewonnen haben, lege ich den Umpire persönlich um«, knurrte einer von ihnen. Nach dem beifälligen Gemurmel zu urteilen, befanden sich hier keine Yankee-Fans. Er setzte sich zu ihnen an die Theke, blickte ebenfalls zum Fernseher und stellte fest, dass er noch nicht einmal hätte sagen können, wer das Basketball-Spiel zwischen den Wizards und den Lakers gewonnen hatte, zu dem er mit Matt gegangen war. Heute. War das wirklich erst heute gewesen, oder schon gestern?
    Eine Kellnerin, die für die Uhrzeit noch erstaunlich frisch aussah, als habe sie gerade erst ihren Lippenstift nachgezogen und das

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