Götterdämmerung
Bedrohung. Das war nicht nur gefährlich für die Zukunft, sondern ging auch direkt gegen die Überzeugung unserer Gründerväter. Und ich glaube an die Ideale, auf denen Amerika aufgebaut wurde. Ich habe immer dafür gekämpft, dass dieses Amerika nicht verschwindet.«
Er war neugierig auf ihre Meinung zu Pfizer, zu GlaxoSmith-Kline, zu Livion, zu AIDS, zu allen möglichen medizinischen Themen von Organtransplantation über Stammzellen, von Klonen bis hin zur Genforschung, anfangs auf der Suche nach weiteren Informationsbrocken, die Rückschlüsse auf Sanchez erlaubten, später, weil er sich ein Bild von ihr machen wollte und daran gewöhnt war, Menschen durch Fragen kennen zu lernen.
Genforschung, so schrieb Morgan, sei das am meisten missverstandene Gebiet von allen. Die Arbeit an der Entschlüsselung der menschlichen DNA habe es erst ermöglicht, dass heute Patienten mit Verbrennungen dritten Grades und schlimmer durch einen gesunden, aus ihren eigenen Zellen gezüchteten Hautersatz vernünftig wiederhergestellt werden könnten. Was den Schwarzmarkt mit Organen in den Ländern der Dritten Welt beträfe, so würde man diesen durch die Gentechnik auf einen Schlag erledigen. Wenn die Gesetzgebung endlich einsichtig genug wäre.
»Du weißt ja nicht, was man den Menschen alles geben könnte. Wenn ich auf diese ignoranten Protestkampagnen im Netz stoße, in denen steht, die Kreuzung von menschlicher DNA mit tierischer wäre der Anfang vom Ende, möchte ich schreien. Worum es wirklich geht, ist doch dies: sicherzustellen, dass, sagen wir, ein Schweineherz nicht vom menschlichen Körper abgestoßen wird. Darum muss man es genetisch modifizieren. Nur so lassen sich viele Leben retten, und wenn du nicht gerade Vegetarier bist, dann lässt sich auch verkraften, dass ein gesundes Schwein deswegen dran glauben muss.«
»Vegetarier bin ich nicht«, entgegnete er, »und religiöse Einwände habe ich auch keine. Aber wer sagt mir, dass man mit dieser Art von Forschung nicht irgendwann bei der guten alten Idee der Sklaverei ankommt und eine Rasse züchtet, die gerade tierisch genug ist, damit man ihnen keine Rechte geben muss?«
»Neil, ihr Geisteswissenschaftler seid hoffnungslos unlogisch. Frag dich doch einfach nur nach dem Warum. Warum sollte jemand so etwas tun? Um Arbeiten zu erledigen? Ich glaube nicht, dass ein Mensch-Tier-Wesen, wenn es denn je ein solches gäbe, eine Arbeit effektiver und kostengünstiger erledigen könnte als Maschinen oder Tiere jetzt schon. Du weißt nicht, wie teuer und aufwändig die Forschung ist und was man investieren müsste, um solche Wesen zu schaffen. Also, völlig abseits aller moralischen Gründe: warum viel Geld in etwas stecken, was keinen Gewinn und keine Verbesserung bringt? Das beantworten einem die Sciencefiction-Filme nie. Das Klischee vom irren Wissenschaftler ist zwar beliebt, aber ich kann dir versichern, wir sind im Gegenteil ein sehr vernünftiger Haufen.«
»Hm. Findet das Gen, das für menschliche Dummheit und Engstirnigkeit zuständig ist, eliminiert es aus dem allgemeinen Genpool, und ich werde vor euch auf die Knie gehen. Bis es so weit ist, bleibe ich skeptisch.«
»Aber bedeutet menschliche Willensfreiheit nicht auch«, erwiderte sie, und zu seiner Verblüffung sah er sich elegant ausmanövriert, »das Recht, dumm und engstirnig zu sein? Wo bleibt die eigene Leistung, wenn man schon genetisch dazu disponiert ist, in allen Fällen das Richtige zu tun?«
»Klone?«, schrieb sie ein anderes Mal zurück, und er druckte sich ihre E-Mails aus, um sie noch einmal lesen zu können, wenn er in seiner Küche Fertiggerichte warm machte oder auf der Couch seinen Rücken ausruhte, wenn er nicht wie ein Besessener mit ihr korrespondierte. »Um ehrlich zu sein, ich halte das Klonen von Menschen für mehr als bedenklich, obwohl das Verfahren zumindest im Stammzellenbereich wohl unverzichtbar ist. Ganz abgesehen von allen anderen Bedenken würde bei einem menschlichen Klon ein Genom vererbt, das so in der Natur nicht vorkommt, und das könnte zu unübersehbaren Folgen führen. Wenn du mich fragst, die tierischen Klone, die schon existieren, Dolly usw. sind abnormal. Die Interaktion zwischen zwei unterschiedlichen Sets von genetischen Codes, wie sie ein Spermium und eine Eizelle mit sich bringen, kann nicht wirklich als Erbgut reproduziert werden, auch wenn man sie in eine Eizelle pflanzt. Aber, und das ist etwas, das man sich als Wissenschaftler jeden Tag sagen muss, es kann
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