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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Kreuzung aus Cheerleader-Körper und Bibliothekarinnen-Intelligenz, die Amerika seinen unterprivilegierten Söhnen so oft auf der Leinwand als Preis versprach, ohne zu erwähnen, dass es nur eine Leihgabe sein konnte.
    Abrupt hielt Neil inne. Ob Sanchez’ Frau Elaine aus der Großstadt stammte oder nicht, stand in keinem der Artikel, die sie erwähnten; gelegentlich wurde ihr Heimatstaat aufgeführt, aber das war auch alles. Er hatte gerade eine unzulässige Schlussfolgerung gezogen, eine Übertragung gemacht, die er nicht hätte machen sollen. Woher auch immer Elaine stammte, er wusste nur zu genau, in wessen Bild er sie gerade gezeichnet hatte.
    Zurück zu den Fakten, sagte er sich. Lázaro hatte Alaska erwähnt, was natürlich durchaus auch ein Scherz auf Neils Kosten gewesen sein konnte, ein Versuch, ihn ans Ende der Welt zu jagen. Aber seine Sphinx aus dem Netz hatte ihm, ob zufällig oder in voller Absicht, zwei weitere Hinweise geliefert.
    Die Amtszeit von Warren G. Harding in den frühen Zwanzigern konnte man kaum als Ruhmesblatt in der Geschichte der USA bezeichnen. Ein Blick in einschlägige Lexika genügte, und Neil fand seine zugegebenermaßen nicht sehr deutlichen Erinnerungen bestätigt, dass es sich bei der Harding-Administration um »die korrupteste in der Geschichte der USA« gehandelt hatte. Unwahrscheinlich, dass viele Straßen nach ihm benannt worden waren. Harding, der zu Lebzeiten so beliebte und nach seinem Tod so geschmähte Harding, hatte aber kurz vor seinem Tod Alaska besucht, zu einem Zeitpunkt, als Alaska noch kein Bundesstaat war.
    Was Kate Rockwell anging, so tauchte sie nach einigem Stöbern als Klondike Kate auf, das beliebteste und populärste Tanzhallenmädchen während des Goldrauschs im hohen Norden. Auch hier war es unwahrscheinlich, dass irgendjemand auf die Idee kommen würde, außerhalb von Alaska Straßen nach ihr zu benennen.
    Noch besser, Neil hatte weder im Chat noch in den E-Mails erwähnt, dass Alaska ein Thema sei. Es war eindeutig, dass seine neue Quelle mit Alaska zu tun hatte. Hervorragend. Er musste nur herausfinden, in welcher Weise. Mit den Interview-Reisen war jedoch für ein paar Wochen Schluss, nicht nur, weil ein Besuch von Ben und Julie anstand, sondern auch, weil er seiner Lehrverpflichtung nachkommen musste. Bis er wieder Freiraum hatte, ließ sich hoffentlich noch mehr erfahren.
     
    »Boston im Frühling«, schrieb er Morgan Anfang April, »ist ein Anblick für die Götter.« Und erhielt als Antwort, ihr sei es noch zu kalt für Frühlingshymnen. Der E-Mail-Austausch mit Morgan begann ihm Spaß zu machen. Er war sich absolut sicher, dass es sich um eine Frau handelte, und formulierte seine Briefe entsprechend. Als er sie dann direkt fragte, kam als Antwort, was er denn täte, wenn »Morgan ein Mann wäre«, und das besiegelte es für ihn.
    »Weiter mit dir korrespondieren«, erwiderte er, »aber dann musste ich meine verblassten mythologischen Kenntnisse aufmöbeln und sie nach männlichen Orakeln durchforschen. Das ist nicht ganz so leicht. Traditionellerweise sind Orakel weiblich.«
    Sie fragte ihn, wie er zu seinem Ruf, unpatriotisch zu sein, gekommen sei; offensichtlich war sein erstes Buch das einzige, was sie von ihm kannte. Er wollte sie nicht als mögliche Quelle verlieren, aber mit seinen Ansichten hinter dem Berg zu halten, hatte auch keinen Sinn; wenn es sie wirklich interessierte, würde sie genügend alte Interviews im Netz finden. Das führte zu einer Diskussion über Patriotismus in Kriegszeiten.
    »Meinst du nicht«, schrieb sie, »dass wir das Recht hatten, uns zu verteidigen? Die UN hätte nur endlos weiterdebattiert, und Saddam hätte inzwischen seine ABC-Waffen auf dem Schwarzmarkt verhökern und weiter Terroristen unterstützen können. Ich verstehe nicht, warum eine Institution, die imstande ist, Libyen den Vorsitz im Menschenrechtsausschuss zu übertragen, das Recht haben sollte, uns zu sagen, was wir zu tun oder zu lassen haben.«
    »Die UN ist bei weitem nicht vollkommen«, erwiderte er, »und das habe ich auch nie behauptet. Ich fand und finde, dass eine Menge Reformen bei ihr fällig sind. Aber wir waren seinerzeit bereit, das mühsam erreichte Prinzip, dass ein Angriffskrieg gegen das Völkerrecht verstößt, zugunsten eines neuen Prinzips über den Haufen zu werfen - dass ein Staat das Recht haben soll, einen anderen anzugreifen, wenn er diesen für eine Bedrohung hält, ganz gleich, ob eine gegenwärtige oder zukünftige

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