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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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man ihm als Honorar bezahlte, dann wusste er über Neils Namen und politische Ansichten zumindest so viel, um die Geschichte für unwahrscheinlich zu halten, die Neil ihm auftischen wollte.
    »Ah, Matt«, entgegnete Clives Stimme leicht verlegen, »tut mir Leid, es läuft gerade alles etwas hektisch hier. Ich habe einen kleinen Blackout. Matt Pryce… von der New York Times?«
    »Ja«, sagte Neil in Matts leicht indigniertem Tonfall und segnete den Tag, an dem Matt den Job als Washington-Korrespondent der Times erhalten hatte.
    »Waren wir verabredet?«
    »Nein, Clive, aber ihr Jungs wolltet mir die Unterlagen über die Edith-Armstrong-Stipendiaten eigentlich schon gestern zukommen lassen.«
    »Tut mir Leid, Matt, da scheint etwas schief gegangen zu sein. Worum genau geht es?«
    Neil stieß einen kleinen, genervten Seufzer aus und erklärte, bemüht geduldig: »Das Livion-Armstrong-Profil. Hören Sie, Clive, ich bin ja durchaus der Meinung, dass Mr. President es verdient, eine etwas günstigere Presse zu bekommen, vor allem jetzt, wo sich die Gerüchte über neue Richtlinien für die Food-&-Drug-Ausschüsse häufen, aber wenn ich euch den Gefallen tun soll, dann brauche ich Material. Diese Stipendien sind eine gute Sache, und unter all den Lebensläufen finden sich garantiert ein paar Human-Interest-Storys, die den Leuten ans Herz gehen. Aber das bleibt nicht ewig aktuell. Wenn die Richtlinien erst mal durch sind, ist die Sache doch für uns beide gelaufen.«
    Es gab keine Gerüchte über neue Richtlinien, noch nicht. Aber kein Lobbyist der Welt würde zugeben, ein Gerücht noch nicht gehört zu haben. Es war die Aufgabe eines Lobbyisten, Gerüchte vor allen anderen zu hören und dann die Kongressabgeordneten und Senatoren in den zuständigen Ausschüssen im Interesse seines Klienten zu bearbeiten. Er konnte das Uhrwerk in Clive Forsythes Gehirn bereits ticken hören.
    Die Gefahr, dass Clive Forsythe erkannte, dass die Stimme am Telefon nicht die von Matthew Pryce war, den Clive, wenn überhaupt, nur flüchtig kennen konnte, bestand kaum. Erstens verzerrten Funktelefone alle Stimmen, und Forsythe benutzte, der Nummer nach zu schließen, die Deirdre ihm gegeben hatte, ebenfalls ein Handy; und zweitens konnte Neil nach all den Jahren Matt ebenso gut imitieren, wie Matt ihn hätte nachmachen können.
    »Okay, Matt«, sagte Forsythe, in Gedanken gewiss bereits bei möglichen Ansprechpartnern wegen neuer Richtlinien für die Food & Drug, aber trotzdem bemüht, etwas so Positives wie ein lobendes Profil in der New York Times für seinen wichtigsten Klienten nicht zu verpatzen, »ich richte das für Sie. Wahrscheinlich hat da einfach jemand bei der Post geschlampt. Die Lebensläufe für die Edith-Armstrong-Stipendiaten, nicht wahr?«
    »Eben die«, bestätigte Neil und grinste über das ganze Gesicht. Als sei ihm der Einfall erst jetzt gekommen, fügte er beiläufig hinzu. »Wenn Livion außerdem etwas tut, um irgendwie die Umwelt zu retten, dann können Sie das gerne beilegen. So ein grüner Touch kommt immer gut an.«
    »Ich glaube, da lässt sich was finden. Danke, Matt. Ich schicke Ihnen das Zeug dann per Boten ins Büro, in Ordnung?«
    »Allemal besser als mit der Post«, gab Neil zurück. »Würde mich nicht wundern, wenn irgend so ein Heini von der Sicherheit Ihr erstes Paket hat liegen lassen, weil irgendeine Büroklammer bei der Durchleuchtung schief lag. Ich meine, keiner von uns will draufgehen, aber irgendwo kann man auch übertreiben, stimmt’s?«
    »Wem sagen Sie das«, seufzte Clive Forsythe und verabschiedete sich. Neil wartete einen Moment, dann ging er in sein Nummernverzeichnis und rief Matt an.
    »Matthew, altes Haus«, sagte er bester Laune, »was hältst du davon, den Postboten zu spielen?«
    Matt legte eine ähnliche Mischung aus Misstrauen und Resignation wie Deirdre an den Tag.
    »Was hast du wieder getan, du Unglücksmensch?«, fragte er. Neil war sicher, dass er dabei die Augen in den Himmel verdrehte.
    »Wenn innerhalb der nächsten Stunden bei dir eine Pressemappe von Sheldon & St. Pierre eintrifft, sei so gut und schicke sie umgehend an mich weiter. Sie ist für mich bestimmt.«
    »Wie bitte?«
    »Du hast schon richtig verstanden, Matt.«
    »Und was hindert mich daran, sie stattdessen mit einer Entschuldigung an Sheldon & St. Pierre zurückzuschicken?«
    »Wahrheit, Ehre und unsere amerikanischen Grundprinzipien«, zitierte Neil aus dem Standardrepertoire des derzeitigen Präsidenten.
    »Wenn

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