Götterdämmerung
Amerikaner ist, er versteht sich als Amerikaner, aber die Sprache, in der er träumt, das ist nicht Englisch, und was seine Perspektive betrifft…. er will nicht einsehen, dass wir klare Prioritäten haben. Medizinische Forschung ist wichtig, aber in unserem Kampf gegen den Terrorismus heute brauchen wir wirksame Waffen. Wir müssen dem Terror immer einen Schritt voraus sein und Gegenmittel für alles finden, was sie an Kampfstoffen gegen uns einsetzen könnten. Dein Vater dagegen besteht darauf, sein Talent für Dinge einzusetzen, die man sich für Friedenszeiten aufsparen sollte, und hält mir Vorträge über« - er legte seine ganze Verachtung in das nächste Wort - »internationale Abkommen.«
»Manche Leute haben da ein Problem namens Skrupel, Moral und Beachtung von Verträgen«, entgegnete Beatrice scharf. Mears verzog den Mund zu einem winzigen Lächeln.
»Internationale Resolutionen sind entweder Augenwischerei oder der bewusste Versuch von Zwergen, Amerikas Sicherheit zu sabotieren. Man darf nie die nationalen Ziele aus den Augen verlieren. Im Übrigen hinken die Gesetze Visionären wie mir ohnehin immer hinterher. Wer die Regeln von vorgestern befolgt, wird nie die Nation der Zukunft sein. Aber von dir ist kaum etwas anderes zu erwarten, als dass du die Ansichten deines Vaters nachbetest, nicht wahr? Er ist ein Fremder in einem fremden Land. Und schau dich einmal an: Wenn man die nachgeplapperten Ansichten und die ferngelernten Kenntnisse wegnimmt, was bleibt dann von dir noch übrig?«
Sie rührte sich nicht, spürte, wie sein Atem an ihrem Gesicht vorbeistrich. Es war eine kalkulierte Demütigung, soweit war sie sicher, doch sie stellte sich seine Worte wie einen Computervirus vor, den sie auffing, isolierte und zu seinem Ursprungsort zurückschickte. Sie erwiderte seinen Blick und erkannte die Eifersucht in seinen Augen, den ungestillten Groll. Es war ihr nicht klar, ob er ihr nur seinen ständigen Wettlauf mit ihrem Vater übel nahm, in dem nie eindeutig war, wer von ihnen beiden gerade den Hasen und wer den Igel darstellte, oder ob auch der Umstand an ihm fraß, dass Victor Sanchez im Gegensatz zu ihm verheiratet gewesen war und eine Tochter hatte. Wenn es je eine Mrs. Mears gegeben hatte, dann wusste der Laborklatsch nichts davon, und wenn es irgendwo noch eine Familie gab, dann sprach er nie darüber. Sie nahm seine Beleidigung, erkannte sie und warf sie zurück.
»Ich«, sagte sie ruhig. »Und nun lass mich los.«
Mears schaute auf seine Hände, als habe er gar nicht bemerkt, dass er sie noch immer festhielt, löste sie von Beatrices Schultern und steckte sie zurück in die Taschen seines Mantels. Er schüttelte den Kopf. Das kleine Lächeln spielte noch immer um seine Lippen.
»Wenn du herausfindest, woraus das besteht, dieses kleine Ich, dann gib mir Bescheid. Das wird ein sehr unterhaltsamer Augenblick für uns alle werden.«
Er wandte sich ab und ging in Richtung der Zimmer weiter, die er bewohnte, seit er beschlossen hatte, wie Victor Sanchez seine gesamte Zeit in dem Laborkomplex zu verbringen, statt jeden Morgen von Seward herzufahren. Über die Schulter hinweg warf er ihr noch zu:
»Wo wir doch alle so viel mehr von dir erwartet haben, mein Kind.«
Was Warren Mears gesagt hatte, ging ihr noch über Gebühr lange nach, sooft sie sich seine Motive auch wiederholte. Sie hatte eigene Gedanken, unabhängig von denen ihres Vaters. Sie hatte eigene Fähigkeiten; ihr Vater benutzte Computer als Hilfsmittel für die Analysen, hätte jedoch nie erklären können, wie sie funktionierten, und war schon nicht mehr in der Lage gewesen, ihren Programmentwürfen zu folgen, als sie vierzehn war. Inzwischen war sie bei weitem die kreativste Spezialistin im Labor und wahrscheinlich die bestverdienende nach Mears und ihrem Vater, deren Aufgabenfeld ein ganz anderes war. Was den rein medizinischen Bereich ihrer Pflichten betraf, so erfüllte sie ihn genauso gut wie jede andere wissenschaftliche Assistentin. Mehr erwartet? Und wen meinte er mit »wir«? Bildete er sich ein, für die Firma zu sprechen, und wollte er implizieren, dass sie nur ihres Vaters wegen geduldet wurde?
»Mal ganz ehrlich«, fragte Beatrice Tess, als sie miteinander in der Kaffeeecke aßen, »was glaubst du, ist meine Stellung hier ein Fall von Vetternwirtschaft?«
Tess sah von ihrem Heilbutt auf und starrte Beatrice verblüfft an. »Wie kommst du denn darauf, Bea? Du bist für den Laden hier unentbehrlich. Jeder weiß
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