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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Patriarchen. »Nach seinen besten Fähigkeiten, da bin ich sicher. Es sind Wissenschaftler wie Dr. Sanchez, die, inspiriert von der Tragödie Ihres Bruders und seiner Leidensgenossen, unerschöpflich weiterforschen, immer auf der Suche nach neuen Mitteln gegen das schreckliche Virus…«
    »Aber nicht Dr. Sanchez selbst«, unterbrach Neil. »Dr. Sanchez arbeitet an ganz anderen Dingen in Ihrem Forschungslaboratorium in Alaska, nicht wahr?«
    Armstrongs Gesicht verhärtete sich wieder. »Wie bitte?«
    Einer der Leibwächter trat vor.
    »Das reicht jetzt.«
    »In der Tat«, sagte Armstrong. »LaHaye… Sind Sie nicht dieser Terroristensympathisant?«
    »Nein«, entgegnete Neil kühl. »Ich bin der Autor, der die Leichen im Keller findet. Darin bin ich ungeschlagen, Mr. Armstrong. Sie haben doch so viele Freunde; falls auch ehemalige Mitglieder der Atomenergiekommission dabei sind, fragen Sie die. Oder geben Sie mir eine Erklärung.«
    Er spürte die Hände des Leibwächters auf seinen Schultern. »Hören Sie auf, Mr. President zu belästigen!«
    Armstrong selbst verzog keine Miene mehr. Der Aufzug hielt an, und er marschierte hinaus, mit dem Rest seines Gefolges. Dinah räusperte sich.
    »Nicht, dass es dem Schnösel nicht recht geschah«, kommentierte sie trocken, »aber für mich war das kein Interview, sondern zwei Kerle in einem Meiner-ist-länger-Wettbewerb.«
    »So kann man es auch sehen. Immerhin hat er mir gerade bestätigt, dass sein Laborkomplex mitsamt des guten Dr. Sanchez in Alaska ein heißes Eisen ist.«
    »Noch mehr phallische Symbole?«
    Neil hob lachend die Hände. »Okay, okay, ich gebe mich geschlagen. Meine Güte, kann hier jeder in New York seinen Freud auswendig? Ich dachte, das wäre nur Woody Allen.«
    Dinah klopfte ihm auf die Schulter und entgegnete mit einem unverschämten Grinsen: »Machen Sie sich keine Sorgen, mein Junge. Der Süden wird sich wieder erheben!«
     
    * * *
     
    Da sie ihren Vater noch abfangen wollte, ehe er zum Mittagessen in die Kantine verschwand, zog Beatrice ihre Codekarte so hastig durch den Abtaster, dass sie ihr herunterfiel. Sie öffnete die Tür zum Vorzimmer seines Büros und bückte sich gleichzeitig, um die Karte aufzuheben, als sie Mears’ Stimme hörte und innehielt. Die Bürotür war nur angelehnt, und sie konnte ihn sehr deutlich verstehen.
    »… kurzsichtig bist, um die Möglichkeiten auszunutzen, die sie bietet.«
    Ihr Vater erwiderte etwas, kurz und prägnant, aber zu leise, als dass sie mehr verstand als »junge Frau«.
    »Victor«, sagte Mears, »hier geht es nicht mehr um väterliche Sentimentalitäten. Es geht um so viel mehr. Das hast du auch einmal gewusst, also hör endlich auf, meine Projekte zu sabotieren. Wir stehen unter Zeitdruck.«
    »Diese Projekte sind zum Scheitern verurteilt«, gab ihr Vater zurück, und diesmal sprach er laut genug, um sie jedes Wort verstehen zu lassen.
    »Sagt der Mann, der nie gewagt hat, sein wichtigstes Projekt auf die Probe zu stellen. Was meinst du, wie deine Tochter reagiert, wenn ich ihr ein paar Einzelheiten über deine Projekte erzähle? Vielleicht hält sie es dann nicht mehr für nötig, meinen hinterherzuspionieren.«
    »Warren…«
    »Sag ihr, sie soll mit mir kooperieren. Und ich rede jetzt nicht von ein paar kleinen Rechenaufgaben. Wir brauchen diese Daten. Außerdem ist sie der einzige Mensch auf der Welt, dessen DNA so gezielt…«
    Der Türgriff stieß Beatrice, die sich erhoben hatte, unvermutet in den Rücken, und sie konnte einen leisen Aufschrei nicht unterdrücken. Sie drehte sich um und stand der Assistentin ihres Vaters gegenüber, die sich bestürzt entschuldigte.
    »Mensch, Bea, ich wusste nicht, dass du hier bist…«
    »Schon gut«, sagte Beatrice hastig, doch die Stimmen im Büro ihres Vaters waren verstummt. Die beiden Männer betraten das Vorzimmer. Ihr Vater mit einem Gewittergesicht, aber daran war nichts Neues, seit er aus Anchorage zurückgekehrt war. Mears musterte sie belustigt, als ahnte er, dass sie gelauscht hatte. Er nickte ihr zu und fragte, ob sie nicht mit ihnen essen wolle. Es handelte sich um eine Boshaftigkeit, weil die Kantine im Sommer immer durch das ungeschützte Glas, mit dem sie überdacht war, in hellstes Licht getaucht wurde; Beatrice ließ sich daher in diesen Monaten immer etwas von einem ihrer Kollegen mitbringen, wenn sie das Essen nicht ohnehin vergaß oder auf den Abend verschob.
    »Nein, danke«, sagte sie und kam ohne weitere Umschweife zum Thema.

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