Götterdämmerung
»Warren, ich wüsste gerne, wieso mein Biochip in Washington unter deinem Namen als Erfinder registriert wurde. Ich glaube, wenn du auf irgendeine Weise an der Entwicklung dieses Chips mitgearbeitet hättest, dann müsste mir das bekannt sein.«
Sie erinnerte sich noch sehr genau, wie sie die entsprechenden Ansprüche mit dem Anwalt, der von dem Konzern zur Verfügung gestellt wurde, formuliert hatte, bis in die kleinsten Details, damit sie den Antrag in Washington einreichen konnten, wie sie sich gewundert hatte, dass etwas so Aufregendes auf einmal zu einer solchen Übung in Bürokratie geworden war. Der Stolz, als Livion ihr in Anerkennung ihrer Arbeit eine Prämie zahlte, die höchste, die ein Mitarbeiter im Labor jemals erhalten hatte.
Mears schaute weder betreten noch schuldbewusst, noch wütend drein. Stattdessen trug er ein selbstgefälliges Lächeln zur Schau.
»Tja, was soll ich sagen«, entgegnete er. »Ich habe einem alten Kollegen einen Gefallen getan, der nicht wollte, dass dein Name in zu vielen Ämtern aktenkundig wird, mein Kind.«
Beatrice öffnete den Mund, um ihre Verachtung für eine solch blödsinnige Ausrede zum Ausdruck zu bringen, als ihr Blick auf das Gesicht ihres Vaters fiel. Dort fand sich das ertappte Schuldbewusstsein, das bei Mears so völlig fehlte, und außerdem ein Hauch von Argwohn.
»Beatrice«, sagte er, und allein dass er ihren vollen Namen gebrauchte, trug zu dem Gefühl bei, mit einem Mal in eine spiegelverkehrte Welt eingetaucht zu sein, »das verstehst du nicht. Es hat seine Gründe. Und woher weißt du das überhaupt?«
»Vom Patentamt in Washington«, antwortete sie und kämpfte um ihre Beherrschung. »Ich habe das Patent im Netz gesehen und es nicht glauben können, also schrieb ich ihnen und fragte, ob ein Irrtum vorläge. Was verneint wurde.«
»Aber warum? Wie kommst du…«
»Ich glaube das einfach nicht«, explodierte Beatrice. »Du…. du hast zugelassen, dass er mir meine Erfindung stiehlt? Ihn sogar darum gebeten?«
»Von Stehlen ist keine Rede«, sagte Mears milde, doch der Hohn tanzte in seinen Augen. »Die laufenden Erträge sind immer von mir auf euer Familienkonto überwiesen worden. Was den Grund angeht, nun, Victor, meinst du nicht, dass es an der Zeit ist…«
»Nein«, unterbrach ihn ihr Vater harsch. »Und bevor du dich in weiteren Spekulationen übst, denk lieber über das nach, was wir besprochen haben. Bea, das Schreiben an das Patentamt möchte ich sehen. Du hast doch noch eine Kopie, oder?«
Die Enttäuschung fraß in ihr wie Säure. Nie hätte sie ihren Vater der Komplizenschaft bei so etwas verdächtigt, noch geglaubt, dass er irgendwelche Geheimnisse mit Mears hatte, dass an Mears’ gelegentlichen Andeutungen mehr dran war als nur Provokation.
»Ich wüsste nicht, warum ich dir einen Einblick in meine Korrespondenz schulde«, sagte sie leise und kämpfte gegen die Versuchung, in Tränen auszubrechen. Ganz gewiss nicht vor Mears. »Du schuldest mir etwas. Eine Erklärung. Und bis ich die bekomme, werde ich nur noch beruflich mit dir sprechen.«
Damit wandte sie sich von beiden ab. Ihr Vater machte noch nicht einmal den Versuch, ihr nachzugehen.
»Du hattest Recht«, sagte sie am Abend, während sie mit Neil telefonierte. Sie hätte ihm schreiben können, doch sie musste jetzt mit jemandem darüber sprechen; sie hatte sich noch nie so verraten und allein gefühlt. Sie saß im Schneidersitz auf ihrem Lieblingssessel und starrte auf die beiden Aquarien mit den Fischen, die in dem abgedunkelten Raum schwach leuchteten. Ihr Wunsch nach einem größeren Haustier hatte ihr nie erfüllt werden könnten, weil die Gefahr, dass es aus dem Wohnbereich in den Arbeitsbereich entkam, als zu groß betrachtet wurde, aber die Fische, Generationen von Fischen, hatten sie durch ihre Kindheit und Jugend begleitet, mit ihren Farben und Formen begeistert und ihr geholfen, sich wieder zu beruhigen, wenn sie aufgeregt war. Als Kind hatte sie mehr Stunden vor dem Aquarium zugebracht als vor dem Fernseher. »Ich verstehe nur nicht, warum er das getan hat.«
»Ich kann dir auch keine Erklärung anbieten«, sagte Neil, und mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass es in Boston drei Stunden später war. Vielleicht hatte er schon geschlafen. Nein, nicht Neil; sie hielt ihn für einen Nachtschwärmer, obwohl das wahrscheinlich nur an ihrer ersten Begegnung lag. »Es tut mir Leid.«
»Dass er es getan hat oder dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast?«,
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