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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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da können Sie mir die Einladung auch gleich beschaffen.«
    »Nichts da. Die besorgen Sie sich selbst, mein Freund, und viel Glück. Sie findet morgen Abend statt, in der Met. 5000 Dollar pro Person war der offizielle Preis, aber die Karten sind längst weg, und ich möchte gar nicht wissen, was die Leute auf dem Schwarzmarkt dafür aufwenden, sich dort gepflegt langweilen zu lassen.«
     
    Das Spiel der Yankees begann um acht Uhr abends, aber die Menge, die in das riesige Stadium in der Bronx strömte, sorgte bereits um sieben dafür, dass man kaum noch sein eigenes Wort verstand.
    »Warum ich dich mitnehme statt Elaine, das wüsste ich gerne«, sagte Charles Xavier kopfschüttelnd, als sich Neil mit einer Tüte Popcorn neben ihm niederließ.
    »Weil deine Frau nichts von Baseball versteht und weil ich nicht jeden Tag nach New York komme«, entgegnete Neil und reichte seinem Agenten das Cola, das er ihm mitgebracht hatte. In dem hellen Scheinwerferlicht, das über dem Stadion lag, schimmerte Xaviers Glatze.
    »Sag mir, dass du ein Expose dabeihast, das ich einem Verlag präsentieren kann«, gab Xavier zurück, »eins für ein sensationelles Buch, das nicht für den kleinsten Hassanruf sorgen wird, sondern im Schnelltempo auf die Bestellerlisten marschiert, und ich besorge dir vielleicht sogar ein Dauerabo.«
    Neil lachte. »Aber Chuck, du weißt doch, dass ich auf die Red Sox stehe. Ein Abo bei den Yankees wäre Verrat.«
    »Du hast immer noch kein Expose«, stellte Xavier resignierend fest und wiederholte den Satz noch einmal empört: »Du hast immer noch kein Expose?!?«
    »Beruhig dich. Ich habe eins. Ich habe sogar schon mit dem Buch angefangen. Aber es ist ein verdammt heißes Eisen, und ich will nicht, dass irgendjemand in der Branche vorher Wind davon bekommt. Chuck, wenn wir das richtig angehen, wird es die Popularität von Liebesgrüße noch bei weitem übertreffen.«
    Er gab nicht nur eine Vorstellung für seinen Agenten. Es mochte auch an dem erwartungsfrohen Klima innerhalb des Stadiums liegen, an den Tausenden, die allmählich die Sitze füllten, an We will rock you, dem Queen-Song, der gerade angespielt wurde, an der Überzeugung, seit seiner Alaska-Reise und den letzten Treffen mit Giles und Eddington allmählich alle Puzzle-Teile beisammenzuhaben. Neil fühlte sich von der Gewissheit getragen, dass dieses Buch die Menschen aufrütteln, dass es Leuten wie Mrs. Edgarson zwar nicht ihre Söhne wiedergeben, aber doch Genugtuung verschaffen würde.
    »Das muss es auch«, konstatierte Xavier trocken, »um all die Quittungen für Reisekosten zu decken, die du mir bisher schon geschickt hast. Kalifornien und New York verstehe ich, aber was haben Miami und Alaska mit einem Bestseller über AIDS zu tun?«
    Neil blickte auf das Spielfeld, wo neben dem Maskottchen des Teams auch eine überlebensgroße Zahnbürste herumspazierte. Auf der Anzeigetafel, die später die Ergebnisse zeigen würde, flackerten die Namen und Porträts der Bronx-Bewohner, die derzeit als Soldaten kämpften.
    »Ich habe mich einfach an die alte Krimi-Regel gehalten, Chuck. Folge dem Geld. Und der Frage, wem nützt das, was geschehen ist.«
    Xavier griff sich etwas von dem Popcorn und kaute nachdenklich. Nach einer Weile fragte er und musste die Frage noch einmal lauter wiederholen, damit Neil ihn verstand:
    »Und mit wem legen wir uns dann möglicherweise an? Respektive der Verlag, den ich dazu beschwatzen soll, das Ganze herauszubringen?«
    »Die üblichen Verdächtigen«, sagte Neil beruhigend. »Nur diesmal eben nicht die Rüstungsindustrie, sondern die Herren in den weißen Kitteln. Und ein paar ihrer staatlichen Verbindungsleute. Die sind an Verschwörungstheorien und Dementis gewöhnt und müssen sich das gefallen lassen. Nichts was durch die Meinungsfreiheit und nachweisbare Fakten nicht gedeckt ist. Wenn jemand rechtliche Konsequenzen zu fürchten hat, dann die.«
    »Du weißt, dass man den Staat nicht verklagen kann«, bemerkte Xavier abwesend. Neil zuckte die Achseln.
    »Nicht auf mehr als 100 000 Dollar, klar. Wenn ich irgendwann mal Zeit habe, schreibe ich einen Beschwerdebrief an die britische Nation, weil sie uns dieses Erbe trotz zweihundertjähriger Unabhängigkeit hinterlassen hat. Aber einzelne Konzerne kannst du mit Milliardenklagen drankriegen. Ich glaube, wenn ich dieses Buch veröffentlicht habe, werden sehr viele Leute sehr viele Anwaltskanzleien sehr glücklich machen.«
    Xavier räusperte sich. »Solange es nicht

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