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Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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vermissen.
    »Ich würde unseren Gästen gern einen guten Abend wünschen«, begann er und ließ seinen Blick über die Menge gleiten, »aber das wäre angesichts der Begleitumstände ein Euphemismus. Die Situation ist ernst, und niemand sollte sich in Sicherheit wiegen, ganz gleich, ob er persönlich in die Vorgänge, die ich ansprechen möchte, verwickelt ist oder nicht. Dies hier«, er deutete mit der Hand nach hinten, »ist möglicherweise nur die Spitze eines Eisberges …«
    Das Scheinwerferlicht erlosch, und die Bühne lag für einen Moment in tiefstem Dunkel. Dort, wo sich eben noch das Felsmassiv befunden hatte, flammten jetzt Sterne auf und gerieten alsbald in Bewegung. Während jene im Zentrum am Ort verharrten, glitten die anderen seitlich vorbei, als bahne sich ein Raumschiff im Zeitraffertempo seinen Weg durch das All.
    Nach einigen Sekunden verlangsamte sich die Bewegung. Der Stern im Fokus wurde größer und erreichte die Größe einer Münze, bevor das Raumschiff seine Richtung änderte und Kurs auf einen unscheinbaren Planeten nahm. Wenig später schwenkten Schiff und Kamera in den Orbit des Himmelskörpers ein, dessen Oberfläche sich unter einer dichten Wolkendecke verbarg.
    »Stamfani«, dröhnte die Stimme des Jungen durch den Saal. »Ein wirtschaftlich unbedeutender Wasserplanet mit zwei bis vor Kurzem unbewohnten Felseninseln und primitiver Meeresfauna.«
    Erneut änderte das Raumschiff seinen Kurs und tauchte für Sekunden in die Wolkendecke ein, bevor die beiden Inseln in Sicht kamen. Der dunkle Felsgrund unterschied sich kaum vom düsteren Grau des Ozeans ringsum. Den einzigen Kontrast boten ein paar Schnee- oder Eisreste im Zentrum der größeren Insel, deren Oberfläche das Schiff mit beängstigender Geschwindigkeit entgegenjagte.
    Nur Augenblicke vor dem Aufprall wurde der Fall jedoch abrupt gestoppt, als hätte sich ein unsichtbares Seil gestrafft und den Sturz aufgehalten. Das Bild stabilisierte sich, und die Zuschauer erkannten nunmehr, was es mit den vermeintlichen Schneeresten auf sich hatte: Es waren die Kadaver großer weißer Vögel, die mit enormer Wucht auf dem Felsboden aufgeschlagen sein mussten. Es waren Dutzende, vielleicht sogar Hunderte dieser seltsamen Kreaturen, die mit gebrochenen Schwingen in zerschmetterten Körpern das Felsplateau bedeckten, das offenbar auch als Landeplatz gedient hatte, wie das Stationsgebäude im Hintergrund verriet.
    Beunruhigend war jedoch nicht nur die Tatsache ihres gewaltsamen Todes, sondern vor allem der Umstand, dass die Körper der vermeintlichen Vögel in bizarrer Weise menschenähnlich wirkten – von den dünnen Beinen über den anthropomorphen Rumpf bis hin zu ihren mit weißem Haarflaum bedeckten Köpfen.
    Der Anblick war schockierend, auch wenn die meisten der Anwesenden schon weitaus Schlimmeres gesehen oder selbst miterlebt hatten: fliegende Städte, die wie Zunder aufflammten und im Feuersturm vergingen, Windbrenner, deren tödlicher Sog ganze Landstriche entvölkerte, Himmelskörper, die aus ihrer Bahn geschleudert wurden, und künstliche Novae, die Planetensysteme auslöschten. Verglichen mit den Opferzahlen dieser Katastrophen, fiel der Tod von ein paar Hundert Vogelwesen kaum ins Gewicht. Dennoch hielt das betroffene Schweigen im Saal an, bis sich der Sprecher schließlich zu einer Erklärung herabließ:
    »Diese bedauernswerten Geschöpfe wurden von Naturschützern hier angesiedelt, nachdem sie aus der Gefangenschaft befreit wurden. Jemand hat sie vorsätzlich und brutal getötet, vielleicht um ein anderes Verbrechen zu verschleiern. Dennoch hätte dieser barbarische Akt kaum die Administration auf den Plan gerufen, wenn es da nicht einen besonderen Umstand gäbe …«
    Wieder glitt der Blick des Jungen prüfend über die Zuschauer, bevor er weitersprach: »Die Bewusstseinseinheiten der Vogelmenschen sind spurlos verschwunden – oder etwas melodramatisch formuliert: Jemand hat ihre Seelen gestohlen.«
    »Aber das ist vollkommen unmöglich!«, rief jemand aus den vorderen Reihen empört. »Oder hat etwa das Sicherheitssystem versagt?« Zustimmendes Gemurmel verriet, dass der Zwischenrufer mit seiner Ansicht nicht allein stand.
    »Diesen Einwand hatte ich natürlich erwartet, Leatraz«, erwiderte der Junge und bedachte den Fragesteller, einen hochgewachsenen, bärtigen Mann mit smaragdgrünen Augen, mit einem freudlosen Lächeln. »Wie du sicherlich weißt, wird das System nur aktiv, wenn die betroffene Bewusstseinseinheit

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