Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)
die Verfolgung auf. Daher kennen wir auch die Koordinaten des Aussprungpunktes. Danach brach der Kontakt ab.«
»Und Sie haben niemals versucht herauszufinden, was aus ihnen geworden ist?« Farr glaubte, die Antwort zu kennen, aber ohne Okuras Bestätigung würde es eine Vermutung bleiben.
»Zunächst erledigten wir, was wir glaubten, unseren Toten schuldig zu sein«, erwiderte der Admiral kühl. »Wir vernichteten die Flotte der Abtrünnigen, und danach brannten wir ihre Höhlenstädte aus – wie Schlangennester.«
»Das klingt nicht, als wären Sie besonders stolz darauf.«
»Damals waren wir es. Wir hatten den Feind unter großen Opfern geschlagen und dafür gesorgt, dass er uns nie wieder schaden konnte. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass etwas daran falsch gewesen sein könnte.«
»Aber sie sind nicht verstummt, die Stimmen der Toten?« Farr wusste nicht, weshalb er diese Frage stellte. Sie war auf einmal da gewesen, wie von selbst.
»Doch, Mr. Farr, das sind sie, und anfangs dachte ich tatsächlich, sie hätten endlich Ruhe gefunden. Nur war das eine Illusion. In Wirklichkeit hatten wir sie entehrt, indem wir selbst so wurden wie jene, die ihnen das angetan hatten.«
»Und was haben Sie getan, als Ihnen das klar wurde?« Im Grunde zielte Farrs Frage in die gleiche Richtung wie jene, die der Admiral unbeantwortet gelassen hatte. Er wollte endlich wissen, ob seine Annahme korrekt war.
»Ich habe versucht, wenigstens einen Teil meiner Schuld abzutragen, indem ich mich selbst auf die Suche nach den Schuldigen machte. Es war eine langwierige, weite Reise, aber trotz des äußerlichen Misserfolgs glaube ich nicht, dass sie vergeblich war.«
»Das verstehe ich nicht. Sie haben keine Spur von ihnen gefunden, und trotzdem war das Unternehmen ein Erfolg? Ohne N-Raum-Transfer müssen Sie doch jahrzehntelang unterwegs gewesen sein?«
»Exakt 243 Standardjahre«, korrigierte der Sikhaner trocken. »Das war der Preis dafür, der Versuchung des kürzeren Wegs zu widerstehen. Sie sind noch jung, Mr. Farr, und werden ihn vermutlich für zu hoch halten. Mein Sohn war ähnlich ungeduldig.«
»Ihr Sohn?«, fragte Farr überrascht. »Ist er an Bord?«
»Natürlich nicht«, erwiderte der Admiral gelassen. »Er kommandierte seinerzeit das Jagdschiff, das die Flüchtigen verfolgte. Ich weiß, wie gering die Chance ist, etwas über sein Schicksal herauszufinden, aber wenn überhaupt jemand dazu in der Lage ist, dann sind Sie es, Commander. Ich werde Ihnen mit der Amesha bis nach Joyous Gard Geleitschutz geben und dort auf Ihre Nachricht warten – in Geduld und Demut.«
»Und Ihre Mannschaft?«, konnte sich Farr nicht enthalten nachzufragen. »Ist sie damit einverstanden?«
»Es gibt keine Mannschaft, Mr. Farr, zumindest keine aus Fleisch und Blut. Die Amesha ist ein tüchtiges und kluges Schiff, das für sich selbst sorgen kann. Der alte Mann an Bord ist im Grunde unnützer Ballast … Es hat mich gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr. Farr, aber jetzt wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mich allein lassen würden.«
Darauf gab es wenig zu sagen, und so blieb Farr nichts anderes übrig, als sich zu verabschieden.
»Danke, Admiral Okura«, sagte er knapp und deutete eine Verbeugung an. »Ich werde tun, was in meiner Macht steht.«
»Sie sind ein Narr, Commander Farr«, sagte der alte Mann und wandte sich wieder den Sternen zu. »Aber wenn ich der Teufel wäre, würde ich Ihnen lieber aus dem Weg gehen. Und jetzt raus mit Ihnen, bevor ich noch sentimental werde.«
Die Flügeltüren schwangen lautlos auf, als Raymond Farr sich zum Gehen wandte. Er drehte sich nicht noch einmal um. Okura würde jedes Zögern als Schwäche auslegen, und Farr hatte nicht vor, ihm diesen Gefallen zu tun.
Du bist ein Lügner, Salim Okura , dachte er, während er Richtung Ausgangsschleuse marschierte. Du bist nicht einfach so unverrichteter Dinge umgekehrt nach all den Jahren. Was hast du gesehen, alter Mann, das dir einen derartigen Schrecken eingejagt hat?
Er wollte nicht an Miriam denken, nicht hier auf diesem fremden Schiff, in dem die Schatten der Vergangenheit lebendiger waren als der Kommandant und sein stählernes Gefolge. Doch er vermochte die Bilder nicht aufzuhalten, die sich in sein Bewusstsein drängten. Von Erinnerungen überwältigt durchquerte er den Transfertunnel wie ein Traumwandler und kam erst in der Schleusenkammer der Hemera zu sich, wo Layla und der Waffenmeister auf ihn warteten.
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