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Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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Universums ähnelte. Vielleicht, und bei diesem Gedanken lief dem Dichter regelmäßig ein Schauer über den Rücken, markierte das Graue Land die Grenze Seiner Schöpfung und damit den Übergang zu etwas, das er sich weder vorstellen konnte noch wollte.
    Gleichwohl vermochte er nur selten der Versuchung zu widerstehen, seinem neuen »Buch der Bilder« einen Besuch abzustatten, und sei es auch nur, um sich zu vergewissern, dass seine Schöpfungen Bestand hatten und es jenen, die wie sein Freund Ewald inzwischen darin ihre Heimstatt gefunden hatten, wohl erging.
    Dabei hatte er vor einiger Zeit eine ebenso überraschende wie erstaunliche Entdeckung gemacht: Offenbar war er nicht der Einzige, der im Grauen Land seine ganz speziellen Spuren hinterließ! Jemand, dessen Vorstellungskraft der seinigen zweifellos ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen war, hatte ein leuchtendes Flugobjekt erschaffen, das der Dichter zunächst für eine Sternschnuppe gehalten hatte, bis es – ganz in der Nähe seines verwunschenen Dorfes – sanft niedergegangen war. Doch das blieb noch nicht das letzte Wunder, denn kaum waren die Flammen unter dem Fluggerät erloschen, öffnete sich eine Luke, der über eine ausgeklappte Leiter drei Personen entstiegen. Es waren zweifellos Menschen – das ließen die Proportionen ihrer Körper und die Art ihrer Bewegungen deutlich erkennen –, wenngleich sie seltsame glänzende Anzüge trugen, dazu Helme mit gläsernen Visieren, deren verspiegelte Oberfläche ihre Gesichter verbarg.
    Die Ankömmlinge schienen zunächst unschlüssig, wohin sie sich wenden sollten, deuteten aber mehrfach in Richtung Dorf, das offenbar ihr Interesse erregt hatte. Ob und in welcher Sprache sie sich unterhielten, vermochte der Dichter nicht zu verstehen, da durch die Helmvisiere keinerlei Geräusch nach außen drang.
    Schließlich schienen sie einen Entschluss gefasst zu haben, denn sie formierten sich zum Abmarsch und brachten dabei ihre Waffen in Anschlag. Ob es sich bei den rohrähnlichen Gegenständen in ihren Händen tatsächlich um Waffen handelte, konnte der Dichter nicht mit letzter Sicherheit beurteilen. Die Art, wie die Fremden sie hielten, ließ allerdings kaum eine andere Deutung zu.
    Die Furcht vor dem Unbekannten war dem Dichter wohlvertraut, wenngleich er natürlich wusste, dass sein Dorf für niemanden eine Gefahr darstellte. Der Umstand, dass es schon vor längerer Zeit von seinen Bewohnern verlassen worden war, konnte allerdings auch den Fremden nicht lange verborgen bleiben, und so entspannte sich ihre Haltung zusehends. Sie ließen ihre Waffen sinken und marschierten die Dorfstraße entlang in Richtung des letzten Hauses , das der Dichter bewusst ein paar Hundert Meter abseits der anderen hatte erstehen lassen. Unmittelbar dahinter ging die Dorfstraße in einen unbefestigten Weg über, der sich in der Ferne im Grau der endlosen Wüste verlor.
    Der Dichter hatte die Fremden nicht aus den Augen gelassen, denn natürlich wollte er wissen, wohin sie ihr Weg führen würde, wenn sie das letzte Haus hinter sich gelassen hatten. Aber dann war etwas Seltsames geschehen: Der Anführer der kleinen Gruppe, der schon die ganze Zeit über voranmarschiert war, hielt plötzlich inne, als hätte etwas an oder im Haus seine Aufmerksamkeit erregt. Er verharrte für Sekunden völlig regungslos und legte dann mit bedächtigen, fast rituell anmutenden Bewegungen Helm und Waffe ab, als bedürfe er ihrer nicht mehr.
    Es war eine Frau, wie der Dichter erstaunt feststellte, und mit ihrem schwarzen Haar, den mandelförmigen Augen und den sanft geschwungenen Wangenknochen offenbar asiatischer Herkunft. Dennoch lag auf ihrem Gesicht ein Ausdruck, der dem Dichter auf schwer zu beschreibende Weise vertraut erschien. Mit einem traumverlorenen Lächeln wandte sich die junge Frau wieder dem altersmüden Haus zu und begann zunächst verhalten und mit leichtem Akzent, dann aber immer klarer und mit deutlicher Betonung, seine Verse zu rezitieren:
In diesem Dorfe steht das letzte Haus
so einsam wie das letzte Haus der Welt.

Die Straße, die das kleine Dorf nicht hält,
geht langsam weiter in die Nacht hinaus. ((
     
    Der Dichter lauschte den Worten mit angehaltenem Atem und verspürte ein Brennen in der Kehle, das ihm schmerzhaft klarmachte, wie lange es her war, dass er zum letzten Mal so tief empfunden hatte. Er wollte hinlaufen zu ihr, der fremden Frau, und sie in die Arme nehmen, aber das war unmöglich, denn in dieser fernen Welt war er

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