Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)
ausgebrochen war. Und genauso kam es dann auch.«
»Dann war der Ausgang also absehbar?«
»Ja, unter den gegebenen Umständen schon. Die einen vertrauten der Macht ihrer Waffen und die anderen der eigenen Überzahl. Und natürlich sahen beide Parteien Ihn auf ihrer Seite. Aber das war zu deiner Zeit kaum anders, wenn ich mich richtig erinnere.«
»Das stimmt«, gab der Dichter zu. »Ohne diese Überzeugung wäre niemand in den Krieg gezogen. Diejenigen, die zurückkamen, waren allerdings nicht einmal mehr sicher, ob es überhaupt einen Gott gibt.« Er wartete auf eine Reaktion, die aber ausblieb.
»Die Auswanderung erfolgte in mehreren Wellen«, fuhr der Besucher fort, ohne auf die Antwort des Dichters einzugehen, »und wäre zweifellos gescheitert, wenn nicht eines der Generationenraumschiffe zufällig einen Transferpunkt passiert hätte und scheinbar spurlos verschwunden wäre.«
»Aber es war nicht wirklich verschwunden?«
»Nein, das Schiff meldete sich wenige Minuten später über Dirac und gab seine neue Position durch, die einige Dutzend Lichtjahre vom Ort seines Verschwindens entfernt war.«
Der Dichter nickte, obwohl er das Wenigste verstanden hatte. Es berührte ihn auch nicht sonderlich.
Er hatte mit den Menschen, von denen der Besucher erzählte, nichts zu schaffen.
Offenbar hatten sie gute Gründe gehabt, die Erde zu verlassen, aber was hatte das alles mit ihm zu tun?
»Ich will dich nicht weiter mit Einzelheiten langweilen«, erklärte der kleine Mann im nächsten Augenblick, als hätte er seine Gedanken gelesen. »Tatsache ist, dass binnen weniger Jahrzehnte ein halbes Dutzend Planeten von den Auswanderern kolonisiert wurden, die heute die Kernwelten der Föderation bilden.«
»Für mich klingt das durchaus nach einer Erfolgsgeschichte«, warf der Dichter ein. »Oder was stimmt nicht daran?«
»Pathetisch könnte man formulieren, dass die Menschheit nicht nur ihre Wurzeln verloren hat, sondern auch ihren Glauben«, erwiderte der Besucher mit einem gezwungenen Lächeln. »Aber das wäre eine unzulässige Verallgemeinerung. Es gibt immer Hoffnung, zumindest für den Einzelnen.«
»Mag sein, aber ich weiß immer noch nicht, worauf du eigentlich hinauswillst«, erwiderte der Dichter leicht ungeduldig. Normalerweise war er um diese Zeit schon unterwegs und wusste nicht, wie der Baum sein Fernbleiben aufnehmen würde. Außerdem fiel es ihm zunehmend schwerer, den kryptischen Äußerungen des Fremden zu folgen.
»Ich will damit sagen, dass die Menschheit falschen Ratgebern vertraut, und damit meine ich nicht nur die Abtrünnigen von Golea, von denen du vermutlich ohnehin noch nie etwas gehört hast. Ein Teil des Problems sind zweifellos die Maschinen, derer sich die Menschen in der gleichen Ahnungslosigkeit bedienen wie weiland der berühmte Zauberlehrling.«
»In die Ecke, Besen, Besen …«, zitierte der Dichter mit einem versonnenen Lächeln. Normalweise erinnerte er sich nur ungern an seine Schulzeit, aber Gedichte hatten ihn schon damals fasziniert, erst recht wenn Übernatürliches mit im Spiel war. Goethes »Zauberlehrling«, obgleich Pflichtstoff, gehörte zu den lichteren Erinnerungen an jene fernen Tage. Was allerdings Maschinen mit leichtfertiger Zauberei zu tun haben sollten, erschloss sich ihm nicht. Er hatte ohnehin den unguten Verdacht, dass es dem Fremden im Grunde gar nicht um sein Verständnis ging. All die Geschichten über Krieg, Exodus und Neubeginn waren nur der Prolog zu etwas anderem, das er sich offenbar scheute, direkt auszusprechen. Vielleicht, weil es das Gegenteil einer frohen Botschaft war …
Das Eigentümliche an der Situation war, dass es dieser umständlichen Vorbereitung gar nicht bedurft hätte. Der Dichter ahnte längst, wie jene spätere Welt beschaffen war, die inzwischen sogar den Weg ins Grenzland gefunden hatte. Die Szenen hatten sich ihm eingeprägt und ihn mit tiefer Furcht vor dem erfüllt, was außerhalb seiner eigenen Sphäre geschah.
»Was wird passieren?«, fragte er schroff, bevor der kleine Mann zu einer weiteren Erklärung ansetzen konnte.
»Das vermag niemand mit Sicherheit vorherzusagen«, erwiderte der Besucher vorsichtig. »Dazu sind zu viele Beteiligte und widerstreitende Interessen im Spiel. Wenn es allerdings zu der von uns befürchteten Konfrontation kommt, ist die Menschheit denkbar schlecht gerüstet. Es gibt kein einigendes Element mehr, das sie in die Lage versetzen könnte, einem entschlossenen Angriff zu widerstehen. Also
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