Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)
Freundin konnte er schwerlich die Tür weisen.
Er hatte Roberta gegenüber ohnehin ein schlechtes Gewissen, denn über die meist belanglosen Gespräche bei den Mahlzeiten hinaus hatte er ihr in den letzten Wochen kaum Beachtung geschenkt. Dahinter lag zwar keine böse Absicht, und vermutlich wusste Ortega das auch, dennoch musste er sich eingestehen, dass sich ihr Verhältnis abgekühlt hatte.
Falls Roberta das ebenso empfand, ließ sie es sich wenigstens nicht anmerken, sondern begrüßte ihn mit einem Lächeln und einem Kuss auf die Wange, bevor sie sich – ohne die entsprechende Einladung abzuwarten – auf der einzig freien Sitzgelegenheit niederließ. Natürlich ließ sie es sich nicht nehmen, die Beine so dekorativ übereinanderzuschlagen, dass Ray ganz einfach hinsehen musste, doch auch das geschah, wie er inzwischen wusste, ohne allzu konkrete Hintergedanken. Zweifellos würde Roberta mit ihm schlafen, falls er diesbezüglich Interesse zeigte, aber wohl eher aus Neugier und als Beweis ihrer Zuneigung als aus einem körperlichen Begehren heraus. Dafür waren Jüngere zuständig …
»Ist das eine Pistole da in ihrer Tasche, Sir, oder freuen Sie sich nur, mich zu sehen?«, spöttelte sie in gewohnter Manier und grinste über seine Verlegenheit ob der angesichts ihrer Darbietung unvermeidlichen Erektion.
Du bist ein Miststück, Roberta Ortega , dachte Farr ohne echten Groll und zwang sich zu einem entsagungsvollen Lächeln.
»Hör auf, einen alten Mann zu quälen, Roberta«, versetzte er trocken. »Du bist doch nicht deswegen hier.«
»Nein, Sir, obwohl …« Ein anzügliches Lächeln huschte über ihr Gesicht, erlosch aber sofort wieder, als sie fortfuhr: »Ich habe Angst, Ray.«
Die Gelegenheit für eine Retourkutsche war da, aber etwas in ihrem Blick hielt Farr davon ab.
»Das verstehe ich nicht, LC. War es beim letzten Mal nicht wesentlich gefährlicher?« Die Erwähnung ihres letzten Dienstgrades war kein falscher Zungenschlag, sondern Verweis auf den militärischen Kontext.
»Das ist richtig.« Sie biss sich auf die Lippen. »Damals hatten wir allerdings konkrete Vorgaben und wussten, was auf uns zukommt.«
»Aber nur, wenn man von den Gravitationswaffen der Burgons absieht«, stellte der Kommandant richtig.
Ein ungeduldiges Schulterzucken blieb die einzige Antwort. Ortegas Befürchtungen lagen offenbar tiefer.
»Wenn die Aufnahme aus dem System authentisch ist, erwartet uns dort drüben gar nichts außer möglicherweise leicht erhöhten Strahlungswerten«, versuchte er, ihre Bedenken zu zerstreuen. »Wie so etwas aussieht, haben wir bei Pendragon Base gesehen …«
»Und wenn das Foto doch eine Fälschung ist? Ich kenne jemanden, dem es einen Mordsspaß machen würde, uns alle an der Nase herumzuführen.«
»Du meinst den Zwerg?« Farr runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht, dass Miriam das zugelassen hätte. Sie kann sehr bestimmend sein, wenn es darauf ankommt.«
Ich könnte dich töten … , erinnerte er sich nicht ohne einen leisen Schauder.
»Sie ist stark, ich weiß«, stimmte Ortega zu. »Vermutlich hätte sie dem kleinen Scheusal tatsächlich ein paar Knochen gebrochen, aber das meine ich nicht.«
»Was denn dann, LC?«
»Du kennst sie länger als ich, Ray, aber du bist keine Frau. Und ich sage dir: Sie hat es nicht getan.«
»Was nicht getan? Den Zwerg verprügelt?« Er zog eine Grimasse, aber sie ging nicht darauf ein.
»Die Bombe. Sie hat sie nicht gezündet, Ray.«
Der Kommandant wollte etwas erwidern, eine Erklärung einfordern, doch ihm fiel nichts ein, was nicht leichtfertig oder respektlos geklungen hätte.
Natürlich hatte er sich die gleiche Frage schon Dutzende Male gestellt, ohne sie jedoch mit der gleichen Entschiedenheit beantworten zu können, wie Roberta es tat. Er hatte Ortega unterschätzt – wieder einmal – und sie hatte ihm eine Lektion erteilt. Falls sie tatsächlich recht behielt, stand er in ihrer Schuld.
»Was macht dich so sicher?«, fragte er schließlich und räusperte sich, um seine Verunsicherung zu überspielen.
»Es ist nur ein Gefühl, Ray, nichts wirklich Greifbares, aber ich habe Miriam gesehen beim Durchbruch in das Goleaner-System. Sie war beinahe außer sich vor Angst, was so gar nicht zu ihr passte, bis ich begriff, dass sie keine Angst um sich oder die Mannschaft hatte.«
»Sondern?« Farr ahnte die Antwort, doch er wollte, dass Roberta sie gab.
»Sie fürchtete sich vor dem, was sie im Begriff war zu tun – ein ganzes
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