Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)
Reize und Wahrnehmungen. Aller Fesseln und Zwänge entledigt trieb sein Bewusstsein durch die Dunkelheit und Farr genoss das schwerelose Dahindämmern wie ein entspannendes Bad in einem warmen dunklen Meer.
Er dachte nicht darüber nach, was sie auf der anderen Seite erwartete; es war nicht wichtig. Nichts war wichtig, was vorher gewesen war oder später sein würde. Es betraf ihn nicht mehr, und der Gedanke, sich für immer weitertreiben zu lassen, war überaus verlockend.
Vielleicht war das hier ja sogar die eigentliche Realität und das vermeintliche Früher ein Konglomerat wirrer Träume?
Der Kommandant dachte noch darüber nach, als sich die Schleusen seiner Sinne abrupt öffneten und die Welt mit Licht, Lärm und Dutzenden aufmerksamkeitsheischenden Wahrnehmungen über sein erschrockenes Selbst herfiel.
»Schiffzustands- und Lagebericht!«, knurrte Farr ins Mikrofon, nachdem er sich widerwillig und noch immer ein wenig benommen aufgerichtet hatte.
»N-Raum-Transfer planmäßig beendet, Systemstatus: Grün«, meldete sich Vera im Private-Modus über die Kopfhörer seines Headsets. Also besaß sie Informationen, die nicht für die Allgemeinheit bestimmt waren. »Es besteht Funkkontakt über Engstrahl zur Pfadfindersonde und Fernsteuerzugriff zum Fremdwaffensystem. Beide Einheiten sind unbeschädigt und können bei Bedarf zum Mutterschiff zurückdirigiert werden. Im Moment würde ich die erforderlichen Manöver allerdings zurückstellen, Ray.«
»Und wieso das?«, erkundigte sich der Kommandant gereizt. »Du hältst doch keine Informationen zurück, oder?«
»Natürlich nicht, Ray. Ich habe mir nur erlaubt, die diesbezüglichen Vorgaben einzuhalten: Schiffsstatus, Status der verbundenen Einheiten, weitere Informationen entsprechend dem Samuto-Markov-Prioritäten-Index.«
»Ich werde dich nach der Koroljov-Farr-Methode ausschlachten lassen, wenn ich nicht sofort erfahre, was los ist!«, schnappte Farr wütend, dämpfte seine Lautstärke aber sofort wieder, als er Ortegas neugierigen Blick bemerkte. »Ich höre …«
»Wir haben ein Fremdschiff oder vielmehr Flugobjekt geortet, das sich auf Anforderung als Lizard King identifiziert hat. Es scheint unbewaffnet zu sein, und es gibt auch keinerlei Hinweise auf Schutz- oder Tarnfelder. Die Besatzung – es handelt sich nach eigener Auskunft um zwei Individuen – artikuliert sich in altenglischer Sprache mit einigen merkwürdigen Idiomen. Kommandant ist ein gewisser Mr. Morrison, der um eine Unterredung bittet. Es geht ihm wohl in der Hauptsache darum, uns – er spricht allerdings von ›das Militär‹ – von einem Angriff auf seinen Heimatplaneten abzuhalten. Er bezeichnet seinen Herkunftsort allerdings als ›Kommune‹, die einen ebenso bizarren Namen trägt wie das von ihm benutzte Flugwesen, das aber – das sei korrekterweise angemerkt –, tatsächlich einer Eidechse ähnelt, von der Größe natürlich abgesehen. Besagte Kommune nennt sich übrigens ›Hyacinth House‹. Ich weiß, das hört sich alles ziemlich verrückt an, Ray, deshalb habe ich die Informationen auch noch einmal gegengecheckt, bevor ich sie dir angeboten habe.«
»Und was ist dabei herausgekommen?«, erkundigte sich der Kommandant finster. »Außer der unmaßgeblichen Tatsache, dass das System weiterhin bewohnt und die hiesige Sonne keineswegs explodiert ist?«
»Entschuldigung, Ray, aber war das nach Lage der Dinge nicht zu erwarten?«
»Dann wäre es hilfreich gewesen, wenn du mir deine diesbezüglichen Erkenntnisse mitgeteilt hättest – und zwar vor dem Transfer. Zumindest hätte ich mich dann nicht …« Er hielt inne und biss sich auf die Lippen. Von seinem Disput mit Ortega musste die KI nun wirklich nichts erfahren. »Also, was ist mit den beiden schrägen Vögeln?«, fragte er stattdessen. »Es sind Goleaner, nicht wahr?«
»Es spricht einiges dafür. Erstens gibt es in diesem System nur einen bewohnbaren Planeten, und zweitens spricht ihr Phänotyp für eine genetische Manipulation.«
»Wieso? Sehen sie etwa auch wie Eidechsen aus oder tragen sie Papageienflügel?«
»Du solltest deine schlechte Laune nicht an einer Maschine auslassen, Ray«, erwiderte Vera mit sanftem Tadel. »Der Mann nennt sich nicht nur so, sondern sieht auch aus wie ein gewisser James Douglas Morrison, der unglücklicherweise schon vor einem knappen Jahrtausend verstorben ist.«
»Woher willst du das wissen?«
»Die Informationen stammen aus der präelektronischen Ära und sind deshalb auch
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