Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)
kürzer gefeiert.« Die Stimme des jungen Mannes klang angenehm, tief und leicht melodiös; das leichte Nuscheln war dagegen wohl eher eine Nachwirkung besagter Feier.
»Dann haben Sie also auf gut Glück hier gewartet?«, fragte der Kommandant erstaunt.
»So ungefähr, auch wenn die Sache etwas komplizierter ist. In der Kommune läuft es momentan nicht so toll, und da der King ohnehin ein bisschen Auslauf brauchte, dachte ich mir: Fliegen wir halt ein bisschen Patrouille. – Ride the Kings highway, baby«, sang der Junge mit seiner sanften melodiösen Stimme, brach dann aber ab und rief nach hinten: »Nein, wir reden nicht von dir, Babe. Nimm dir inzwischen noch ’nen Drink!«
»Weiber«, murmelte er mit einem Ausdruck von Überdruss, der nicht zu seinem jungen Gesicht passen wollte. »Aber Sie wollten eigentlich etwas anderes wissen, okay: Ist inzwischen ein halbes Jahr her, dass sich die Drachenlady mit ihrer Leibgarde vom Acker gemacht hat. Ich meine natürlich unsere hochverehrte Präsidentin auf Lebenszeit, was in ihrem Fall inzwischen hübsch ein paar Jahre sein dürften.«
»Dann muss sie doch schon ziemlich alt gewesen sein, als sie wegging?«
»Nein, alt war die nicht, Mister, obwohl natürlich kaum jemand was Genaueres wusste.«
»Ist sie denn nie in der Öffentlichkeit aufgetreten? Normalerweise halten Präsidenten doch Reden oder empfangen Besucher.«
Im Hintergrund kicherte jemand, und die Mundwinkel des Jungen zuckten, als habe er Mühe, sich das Lachen zu verbeißen.
»Entschuldigung, Commander, aber die Drachenlady konnte man nicht einfach besuchen. Wenn die jemanden sehen wollte, dann wurde der hingebracht und kam mit ziemlicher Sicherheit nicht wieder. Na ja, und für ihre Verkündigungen gab’s ja genügend Speichellecker bei den Medien. Die hatten dann allerdings ein echtes Problem, als sich die Lady und ihre Monsterbrigade dünnegemacht hatten.«
»Inwiefern?«
»Na ja, irgendwann kamen die Leute natürlich dahinter, dass gar keine Invasion anstand und das ganze Gerede vom ›Vernichtungskrieg gegen das Heilige Volk von Golea‹ nur heiße Luft war, um sie bei der Stange zu halten. Zuerst ging’s auf den Straßen noch halbwegs gesittet zu, bis klar wurde, dass sich das Militär raushalten würde. Danach gab’s natürlich kein Halten mehr. Da waren noch einige alte Rechnungen offen, und am Ende sind sicher einige Leute, die man für Spitzel oder Verräter hielt, in den Tanks gelandet. Wie es eben so geht, wenn sich die Zeiten ändern …«
»Das klingt nicht so, als wäre Ihnen das Ganze besonders nahegegangen, Mr. Morrison, oder täusche ich mich da?«
»Nein, es war mir egal, Mister. Ich selber mag keine Massenaufläufe, aber ich fand’s geil, als sie das Mediencenter angezündet haben. Meinetwegen hätte die Bude tagelang brennen können, wenn ich an all den Mist denke, den sie von dort aus unter die Leute gebracht haben. Die Welt ist eine Kloake, und wer sich mit Dreck einlässt, der wird irgendwann selbst zu Dreck oder mit ein bisschen Nachhilfe zu Biomasse wie diese Fernsehleute. Nein, ich hab kein Mitleid mit denen. Jeder Song, sogar jede halbwegs gelungene Verszeile ist unterm Strich mehr wert als dieses Pack und vielleicht auch mehr als Ihr oder mein Leben.«
»Wenn die Welt ohnehin nur eine Kloake ist«, erwiderte Farr sarkastisch, »dann wundert mich die Mühe, die Sie aufwenden, um Schaden von ihr oder wenigstens einem Teil davon abzuwenden.«
Der Junge lächelte, freundlich und keine Spur verlegen. »Das Beste, was einem im Leben passieren kann, ist, Freunde zu haben. Davon findet man nicht viele und wenn doch, dann sicher nur für eine begrenzte Zeit. Ich meine wirkliche Freunde, nicht die netten Burschen, mit denen man sich bei einem Drink ganz vernünftig unterhalten kann. Ein Freund ist für mich jemand, der dich ansieht und weiß, wie es dir geht, der einen falschen Ton oder ein falsches Wort genauso sicher erkennt wie du selbst, der mit dir schweigend am Strand sitzt und zu den Sternen aufsieht, bis der magische Moment vorbei ist. Deswegen haben wir die Kommune gegründet, nachdem draußen alles zusammengebrochen war, nicht wegen der Drogen, der freien Liebe oder all dieses Zeugs. Ich will nicht, dass das alles wieder vor die Hunde geht, nicht wegen dieser Hexe, die inzwischen längst weitergezogen ist.«
»Allein hätte sie die Burgon-Monster aber nicht erschaffen und auf die Welt loslassen können«, wandte der Kommandant ein. Mr. Morrison war zwar nicht
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