Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)
sogar den Verdacht, es sei eine Kopie seiner eigenen Unterlagen, doch bereits nach kurzer Lektüre musste er sich korrigieren: Wer auch immer diese Unterlagen zusammengestellt hatte, wusste mehr über den Familienclan und seine Geschichte, als Farr jemals auch nur zu vermuten gewagt hätte …
Dabei wurden nicht nur akribisch die Firmenbeteiligungen und Verbindungen zu Regierungsstellen aufgelistet, auch das Projekt »Pegasos Forest« erschien plötzlich in einem völlig anderen Licht. Die Leandros-Gruppe hatte die Künstlerkolonie zwar finanziert, aber auch erheblichen Gewinn aus dem Projekt gezogen. Dabei waren nicht nur gegenständliche Kunstwerke, sondern auch Veröffentlichungsrechte mit enormen Gewinnspannen an Medienunternehmen und gut betuchte Interessenten veräußert worden. Die Vernichtung der Kolonie hatte dem Konzern auch wirtschaftlich geschadet, wie die beigefügten Börsennotierungen belegten. Offenbar hatte die Katastrophe das Vertrauen der Anleger nachhaltig beschädigt, denn der Kurssturz der Leandros-Aktien betraf sämtliche Branchen, in denen die Gruppe aktiv war.
Umso erstaunlicher war die Entwicklung, die das Unternehmen in der Folgezeit genommen hatte. Zunächst entdeckte ein Pfadfinderschiff der Reederei nur Wochen später einen neuen N-Raum-Tunnel, der in einen bislang unerschlossenen Bereich unweit des Dreisternsystems ²-Serpentis führte. Die Leandros-Gruppe schickte daraufhin mehrere Prospektorenschiffe in die Region und sicherte sich die Schürfrechte auf einem halben Dutzend Planeten. Bereits zwei Standardjahre später hatte der Konzern seinen ursprünglichen Börsenwert um mehr als zwanzig Prozent gesteigert. Der Erfolg des Unternehmens schien eng mit der Berufung eines neuen Geschäftsführers verbunden zu sein, eben jenes Dr. Procturro, den Farr bei seinem Besuch auf Malmari Bay kennengelernt hatte. Ungewöhnlich dabei war allein der Umstand, dass der Mann vor seiner Berufung in keiner der Leandros-Firmen beschäftigt gewesen war und – wenn man den Ergebnissen der diesbezüglichen Recherchen trauen durfte – auch in keiner anderen unternehmerischen Führungsposition innerhalb der Föderation. Überhaupt fanden sich in den Archiven keinerlei Informationen über eine Person dieses Namens. »Anagramm?«, hatte jemand mit Bleistift an den Seitenrand gekritzelt, aber das half Farr im Augenblick ebenso wenig weiter wie die Recherchen, die er seinerzeit selbst in Auftrag gegeben hatte. Vielleicht hatte der Mann seinen Namen geändert, aus welchen Gründen auch immer …
Ein weiterer Abschnitt des Dossiers widmete sich dem Gesundheitszustand des Reeders, und auch hier stieß Farr auf einige Ungereimtheiten. Offenbar war Dimitris Leandros nach seinem Schlaganfall nur knapp dem Tode entronnen. Die Ärzte hatten eine massive Hirnblutung dokumentiert, die sich nur langsam zurückbildete und bleibende Hirnschädigungen bis hin zum dauerhaften Bewusstseinsverlust erwarten ließ. Der Reeder musste wochenlang künstlich beatmet werden, und als sich sein Zustand weiter verschlechterte, erhielt er durch einen – angeblich von der Familie beauftragten – Priester vorsorglich die heilige Ölung. Seltsamerweise wurde der Name des Paters nirgendwo festgehalten, und auch spätere Nachforschungen des Ordens blieben ohne Erfolg. Zum Erstaunen der behandelnden Ärzte besserte sich Leandros’ Zustand in der Folgezeit so nachhaltig, dass er bereits wenige Tage später auf die Normalstation verlegt werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt atmete er bereits selbständig und begann sogar wieder zu sprechen. Weitere zwei Wochen später wurde er auf seinen eigenen Wunsch aus der Klinik entlassen – angeblich in ein renommiertes Privatsanatorium, dessen Name jedoch nicht in den Unterlagen auftauchte. Hier endete der Bericht mit der resignierten Anmerkung, dass der weitere Aufenthalt Dimitris Leandros’ nicht ermittelt werden konnte. Erst ein halbes Jahr später gelangten wieder Nachrichten über die Familie und erste Bilder an die Öffentlichkeit – von ihrem neuen exklusiven Anwesen auf Malmari Bay …
Ein wenig enttäuscht blätterte Farr weiter und sah sich zu seiner Überraschung mit zwei Aufnahmen des ihm vertrauten Planetensystems im Sternbild Puppis konfrontiert, die sich auf den ersten Blick kaum unterschieden. Die erste Aufnahme stammte aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts und war von einem ALLSPACE -Forschungssatelliten aufgenommen worden. Die andere war der Bildunterschrift nach erst zwei
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