Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)
jedes Mal, dass uns die Elektronik nicht wirklich mal im Stich lässt.«
»Das kann ich verstehen«, sagte Farr. Sein Hemdkragen war fast ebenso schweißgetränkt wie der des Piloten. Es dauerte eine Weile, bis sich sein Pulsschlag so weit beruhigt hatte, dass er den Anflug auf Agion Oros wieder genießen konnte, dessen Kugel wie ein bernsteinfarbenes Juwel am Himmel hing.
»Willkommen, Bruder Raymond«, begrüßte ihn eine Computerstimme im Ankunftsterminal, als er seine neue ID-Karte in den dafür vorgesehenen Schlitz gesteckt und den daraufhin abgeforderten Irisscan absolviert hatte. »Pater Markus ist als dein persönlicher Betreuer avisiert und wird dich mit den Gegebenheiten unseres Hauses vertraut machen. Bitte suche zunächst den Hygienetrakt auf, wo du den Staub der Reise abspülen kannst. Friede sei mit dir!«
Gleichzeitig fiel ein Paket von der Größe einer Aktentasche aus einem Wandschacht weich auf ein seitlich angebrachtes Transportband, das sich im gleichen Augenblick in Bewegung setzte wie der Boden unter Farrs Füßen. Da die anderen Neuankömmlinge ähnliche Pakete erhalten hatten, handelte es sich wohl um eine allgemein übliche Prozedur.
Vor dem Sanitärtrakt, der die ganze Breite des Check-out-Bereiches einnahm, wartete Pater Markus auf ihn. Er schien etwas verlegen, als er Farr erklärte, dass er seine Kleidung hier abgeben müsse, wo sie bis zum Rückflug für ihn aufbewahrt würde.
»Was soll denn dieser Unsinn?«, beschwerte sich Farr. »Glauben Ihre Kumpels etwa, wir hätten Läuse?«
»Läuse nicht, aber Schlimmeres«, erklärte der Pater nachsichtig. »Das Ganze ist auch eine Art Gesundheitscheck. Menschen, die viel unterwegs sind, stecken sich mit allem Möglichen an. Außerdem hat es schon mehrfach Anschlagsversuche gegeben. Nehmen Sie es bitte nicht persönlich.«
Farr zuckte verdrossen mit den Schultern, suchte aber dann doch die ihm zugewiesene Umkleidekabine auf, die sich im gleichen Augenblick verriegelte. Erst als Farr nackt war, glitt die Tür auf der anderen Seite der Kabine lautlos zur Seite und gab den Weg zu den Duschzellen frei.
»Was war das denn für eine seltsame Prozedur?«, wollte Farr wissen, als er schließlich geduscht, geföhnt und neu eingekleidet an der Seite von Pater Markus den Sanitärtrakt verließ. »Haben Sie denn kein vernünftiges Duschgel?«
»Das war kein Duschgel«, lächelte sein Begleiter, »sondern eine spezielle Nanozyten-Emulsion, die Ihren Körper einer kleinen Inspektion unterzogen hat. Sie sind offenbar nicht nur gesund, sondern tragen auch weder chemische, biologische noch radioaktive Kampfstoffe mit sich herum. Sehr tröstlich. Ich bin nämlich für Sie verantwortlich.«
»Empfinden Sie dieses Prozedere nicht als ein wenig paranoid?«
»Durchaus, aber würden Sie die Folgen einer möglichen Kontamination tragen wollen, Commander? Einer eingeschleppten Seuche, sei sie nun natürlichen oder künstlichen Ursprungs? Agion Oros ist nicht nur das spirituelle und administrative Zentrum unseres Ordens. Dieser Ort beherbergt auch die umfangreichste und wertvollste Bibliothek der Föderation und Zehntausende von unersetzlichen Kunstwerken. Es ist eine der vordringlichsten Aufgaben des Ordens, sie zu bewahren. Unsere Paranoia hat also durchaus praktische Gründe.«
»Schon gut, Pater, ich verstehe, was Sie meinen, auch wenn ich mir eine rituelle Waschung anders vorgestellt habe.«
Pater Markus lächelte: »Es steht Ihnen frei, sie nachzuholen. Sie werden sehen, es wird Ihnen guttun.«
Sie näherten sich inzwischen dem Ausgang der Halle, und als das Tor vor ihnen zur Seite glitt, bot sich ihnen ein imposanter Anblick.
Es war nicht die Art der Anlage, sondern vor allem ihre Dimension, die dem Betrachter den Atem nahm. Vor ihnen erstreckte sich eine riesige Freifläche, deren Boden mit polierten Steinplatten belegt war, in die an einigen Stellen kunstvolle Mosaike eingearbeitet waren. Gelegentlich waren auch mehrere Platten ausgespart worden, um Pflanzflächen Raum zu schaffen. Dort wuchsen Ziersträucher, Zitronenbäume und sogar einige Palmen. Begrenzt wurde das gesamte Areal von Mauern und Gebäuden aus hellem Sandstein, der im Licht der Nachmittagssonne wie von innen heraus zu leuchten schien. Die Freifläche mündete in eine riesige Freitreppe, die an ihrem Fuß die gesamte Breite des Areals einnahm, sich jedoch nach oben hin zu verjüngen schien, wobei unklar blieb, ob dieser Eindruck auf einer optischen Täuschung beruhte.
Weitere Kostenlose Bücher