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Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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fragte Farr ungläubig. Er erinnerte sich zwar nur noch vage an den schlanken, dunkelhaarigen Mann, den er im Haus der Leandros getroffen hatte, war aber überzeugt, dass er nichts Auffälliges oder gar Einschüchterndes an sich gehabt hatte.
    Pater Theodorus lächelte, aber es war kein fröhliches Lächeln und erreichte auch nicht seine Augen, die unvermindert ernst blickten.
    »Nein, das glauben wir nicht, Commander Farr. Obwohl es in den Reihen unserer Brüder auch Traditionalisten gibt, folgt eine Mehrheit moderneren Auslegungen der Heiligen Schrift, die das Böse nicht mehr auf eine real existierende Person fokussieren. Was wir jedoch fürchten, ist, dass es sich um ein Wesen handelt, das sich bewusst als Antichrist ausgibt. Über seine Motive wissen wir natürlich nichts – ebenso wenig über seine Identität oder Herkunft. Aber wo auch immer es hergekommen ist und was auch immer es auf Malmari Bay vorhat, wir sollten auf das Schlimmste gefasst sein.«
    Farr schwieg, obwohl er jede Menge Fragen hatte. Warum sollte sich jemand als Teufel ausgeben? Allein die Vorstellung war absurd. Und weshalb hatten die Patres überhaupt so detaillierte Nachforschungen über den Leandros-Clan angestellt? Hatten sie den Weg der Bomben zurückverfolgt? Und wovor fürchteten sie sich jetzt, nachdem die Goleaner besiegt waren? Allein vor diesem Dr. Procturro? Oder vermuteten sie sogar, es gäbe noch mehr wie ihn? Das Ganze blieb überaus verwirrend, und mit jeder Information, die Farr von den Patres erhielt, wurde das Puzzle komplizierter. Wenn er herausfinden wollte, was hier gespielt wurde, musste er sich auf das Wesentliche konzentrieren. Auf das, was die Patres tatsächlich in Panik versetzt hatte …
    »Nehmen wir einmal an, dieser Procturro wäre tatsächlich nicht das, was er zu sein vorgibt«, erwiderte er schließlich. »Was glauben Sie, dass er tun könnte? Wie könnte er dem Orden schaden?«
    »Nicht nur dem Orden, fürchte ich«, entgegnete der Geistliche ernst. »Wir haben eine Warnung erhalten, die sich zwar nicht auf eine konkrete Person bezieht, die wir aber dennoch sehr ernst nehmen.«
    »Eine Warnung von wem?«, hakte Farr sofort nach. Er hatte einen Verdacht, aber etwas in ihm wehrte sich dagegen, ihn zu akzeptieren. Es war nicht das erste Mal, dass er sich davor fürchtete, recht zu behalten.
    Die beiden Ordensmänner tauschten einen Blick, bevor sich Pater Markus zu einer Antwort entschloss: »Es war der erste Kontakt seit Jahren, Commander, und wir glauben nicht, dass er zufällig zustande gekommen ist. Möglicherweise wollen sie uns helfen, mit dieser neuen Bedrohung fertigzuwerden. Es wäre ja nicht das erste Mal.«
    Nein, das wäre es nicht, dachte Farr, während sich die Bilder von damals wie ein Déjà-vu in sein Bewusstsein drängten: Spork, der weißhaarige Admiral, an der Stirnseite des Tisches und daneben ein kleiner Mann mit Sonnenbrille – Balinas. Die Offiziere hatten auf den Jahrestag des Sieges angestoßen, Erinnerungen ausgetauscht und die eine oder andere Anekdote zum Besten gegeben, bis der kleine Mann plötzlich aufgestanden war und sich verabschiedet hatte. »Ich muss gehen«, hatte er gesagt, und es hatte fast ein wenig traurig geklungen. »Im Moment besteht keine Gefahr, aber achtet auf die Gänse des Kapitols!« Das war der längste Satz, den Balinas je in Farrs Anwesenheit gesprochen hatte, und auch der letzte. Noch in der Nacht war er verschwunden. Eine sofort eingeleitete Suchaktion blieb ohne Ergebnis. Balinas, der Seher, hatte seine Mission erfüllt …
    Und wenn er zurückgekommen ist? Die Vorstellung war abenteuerlich, dennoch setzte sie sich wie ein Widerhaken in Farrs Bewusstsein fest. Er musste sich Gewissheit verschaffen, selbst auf die Gefahr hin, dass er sich lächerlich machte.
    »Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie mir völlige Offenheit zugesagt haben?«, wandte er sich direkt an Pater Markus.
    »Das ist nicht nötig, Commander Farr«, erwiderte der junge Mann ernst. »Sie haben unser Wort.«
    »Dann beantworten Sie mir nur eine einzige Frage: Haben sie Ihnen meinen Namen genannt?«
    Zu Farrs Erstaunen verzogen die beiden Ordensmänner keinerlei Miene. Hatten sie sich so gut unter Kontrolle, oder war seine Vermutung gar nicht so abwegig, wie er annahm? Pater Markus wirkte jedenfalls alles andere als überrascht. Er zuckte sogar leicht mit den Schultern, als hielte er eine Diskussion über diese Frage für überflüssig. Der Provinzial macht zwar ebenfalls keine

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