Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
Vom Netzwerk:
gelegentlich auch ihre Vorzüge.«
    »Mag sein«, murmelte Farr und ließ seinen Blick über die felsigen Hänge vor ihnen schweifen, ohne jedoch etwas Auffälliges zu entdecken.
    Eine Zeit lang marschierten sie schweigend, bis sie schließlich freien Blick auf den Gipfel hatten. Eine Kapelle war nirgendwo zu sehen. Allmählich begann Farr sich zu fragen, ob der Ort überhaupt existierte, an dem das ominöse Treffen stattfinden sollte. Wenn die Angels tatsächlich Kontakt suchten, weshalb dann hier, in dieser menschenleeren Einöde?
    Das Rätsel löste sich, als der Pfad unvermutet eine weitere scharfe Biegung nahm und sie in den Schatten eines engen Felsspaltes eintraten, der offenbar direkt in das Innere des Berges führte. Aber auch das erwies sich als Trugschluss, denn nur ein paar Schritte weiter wichen die Felswände zurück und gaben den Blick frei.
    Die Felsen leuchteten ockerfarben im Licht der Mittagssonne, aber noch heller strahlten die bunten Farben der winzigen Kapelle, die sich wie ein Relikt aus einer anderen Welt auf einem schmalen Vorsprung erhob. Ihre Präsenz war so augenfällig, dass Farr sich fragte, wie er sie beim Aufstieg hatte übersehen können. Offenbar hatten die zahlreichen Richtungsänderungen des Weges seinem Orientierungsvermögen einen Streich gespielt, denn er hatte inzwischen keinerlei Vorstellung mehr, aus welcher Richtung sie gekommen waren.
    Der Weg zur Kapelle war offenbar künstlich angelegt und überraschend eben. Es musste Wochen und Monate gedauert haben, ihn in den Fels zu schlagen. Aber das war jetzt nicht mehr wichtig. Sie waren kurz vor dem Ziel, und Farr spürte, wie sich sein Pulsschlag beschleunigte.
    Sollte das tatsächlich der Ort sein, an dem sich die Patres mit den Angels trafen? Und würde er hier sein?
    Jetzt, da das Tor unterhalb des bunt bemalten Giebels nur noch wenige Meter entfernt war, fehlte ihm plötzlich der Mut.
    Am liebsten hätte er sich umgedreht und wäre davongelaufen; aber das ließ sein Stolz nicht zu. Noch nicht, aber jeder Schritt kostete Kraft.
    »Ein fast originalgetreuer Nachbau der Kapelle Santa Maria degli Angeli, die nach ihrem Herkunftsort auch Partiuncula genannt wird«, erläuterte Pater Markus im Tonfall eines Fremdenführers. »Bis auf die Fenster natürlich, aber die sind von hier aus nicht zu sehen.«
    Obwohl die Worte gar nicht bis in Farrs Bewusstsein vordrangen, hatten sie doch eine seltsam beruhigende Wirkung auf seinen Gemütszustand. Er war nicht allein. Das hatte er zwischenzeitlich beinahe vergessen.
    »Kommen Sie mit?«, fragte Farr, als sie das Portal erreicht hatten. Ein Teil von ihm lauschte dabei auf verdächtige Geräusche aus dem Inneren des Gebäudes. Aber es war nichts zu hören. Oder das Dröhnen in seinen Schläfen war lauter …
    »Nein.« Der Pater schüttelte den Kopf. »Das ist ein Weg, auf dem ich Sie nicht begleiten kann. Aber ich werde hier für Sie beten.«
    Das kann zumindest nichts schaden, dachte Farr, auch wenn es mir vermutlich nicht weiterhilft. Aus irgendeinem Grund rührte ihn der Ernst, der aus den Worten des jungen Mannes sprach.
    »Danke«, murmelte er mit einem hilflosen Lächeln. Dann öffnete er das Tor und ging hinein.
    Es war dämmrig im Innern, aber weniger dunkel, als er erwartet hatte. Durch zwei große Seitenfenster fiel farbig gebrochenes Licht in den Innenraum, der durch die gewölbte Decke höher wirkte als das ganze Gebäude von außen. Die hölzernen Gebetsbänke rechts und links des Ganges erschienen dagegen vergleichsweise winzig. Sie waren offensichtlich unbesetzt, doch das galt wohl nur für den Bereich, in den das Licht fiel. Die vorderste Reihe lag ebenso wie der Altarraum im Dunkeln, das nur durch den schwachen Schimmer des ewigen Lichtes und den einer einzelnen Kerze durchbrochen wurde. Es war eine dünne Opferkerze, die noch nicht sehr lange brennen konnte. Also musste doch jemand hier gewesen sein, falls er sich nicht sogar irgendwo da vorn verborgen hielt.
    Zögernd ging Raymond Farr weiter, hielt nur kurz inne, als seine Füße in das erste Lichtviereck eintauchten, das den hellen Marmorboden mit einem farbigen Muster überzog. Einen Augenblick lang glaubte er sogar, die Umrisse einer menschlichen Gestalt auf dem Boden wahrzunehmen, doch ihm blieb keine Zeit, dem Phänomen auf den Grund zu gehen.
    »Willkommen, Bruder Soldat.«
    Farr zuckte zusammen, als hätte ihn ein Schlag getroffen.
    Balinas! Er war hier!
    Und tatsächlich, im dunkelsten Winkel des Altarraums

Weitere Kostenlose Bücher