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Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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entfernten sich die Schritte, und sie waren allein. Bis jetzt war alles nach Plan gelaufen, und sie hätten sich eigentlich beruhigt zurücklehnen können, denn vor Einbruch der Dunkelheit würde sich kaum etwas tun. Doch John Varley war alles andere als entspannt. Zum ersten Mal in seiner Karriere hatte er das Gefühl, dass ihm die Dinge entglitten.
    Zwar hatten sie Miriams Pflegeeltern aufgespürt, aber das war nicht sein Verdienst, und falls er heute Abend tatsächlich die Möglichkeit hatte, die beiden zu befragen, dann hatte er das ebenfalls ausschließlich Ailin Ramakian zu verdanken und nicht etwa seinen eigenen Fähigkeiten als Detektiv. Ohne ihre Unterstützung stünde er mit seinen Ermittlungen auf verlorenem Posten, und das war seine eigene Schuld.
    Er hätte ohne größeres Risiko Läufer damit beauftragen können, innerhalb der hiesigen Datensphäre zu recherchieren. Stattdessen war er selbst hergeflogen, in der irrigen Annahme, er könne vor Ort mehr erreichen als vom heimischen Computer aus. Er hatte weder mit dem Misstrauen der Einheimischen gegenüber Fremden noch mit den Besonderheiten einer Clan-Gesellschaft gerechnet, dabei hätte er allein an der Reaktion des Piloten erkennen können, dass sein Vorhaben zum Scheitern verurteilt war. Vielleicht hätte er zurückfliegen sollen, bevor er Ailin Ramakian kennengelernt hatte …
    Keine dieser Überlegungen war logisch, aber Logik war nicht alles. Manchmal war es notwenig, jenen Stimmen zu lauschen, die sich nicht in Worten und ganzen Sätzen artikulieren konnten, weil sie aus dem Unterbewussten kamen. Noch wusste John Varley nicht, was sie ihm sagen wollten, aber er ahnte, dass es ihm nicht gefallen würde …
      
    Ailin ging allein. John war zunächst dagegen gewesen, hatte sich dann aber umstimmen lassen. Es war noch früh am Abend, und sie mussten damit rechnen, unterwegs Anwohnern zu begegnen. Eine einzelne Frau würde dabei kaum Verdacht erregen. Selbst für den Fall, dass man sie ansprach, hatte Ailin gewiss eine Erklärung parat, die zumindest für den Augenblick nicht zu widerlegen war. Ein hellhäutiger Fremder dagegen war in dieser abgelegenen Region so auffällig wie ein bunter Hund. Dazu kam, dass sie zwar den Namen des Ehepaars und die Nummer des Apartments kannten, nicht aber dessen Lage. Ailin hatte keinerlei Unterlagen über das Gebäude auftreiben können, und so wussten sie nicht einmal, in welcher Etage es sich befand. Falls ihnen nicht der Zufall zu Hilfe kam, würden sie danach suchen müssen, was das Risiko einer zufälligen Entdeckung vervielfachte.
    Also hatten sie vereinbart, dass Ailin sich zunächst einen Überblick über das Gebäude verschaffen und danach das Apartment der Matsumos ausfindig machen sollte. Sie trug ein gut getarntes Kehlkopfmikrofon mit Minisender, um ihm die notwendigen Informationen zu übermitteln, sobald sie fündig geworden war. Sie hatten die Funktion des Geräts während der Fahrt kurz getestet und vereinbart, dass Ailin es nur im Notfall benutzen sollte, solange sie unterwegs war. Der Sender war zwar extrem schmalbandig, aber man durfte das Misstrauen und die technischen Möglichkeiten des Clans nicht unterschätzen.
    »Du musst dir keine Sorgen machen, Johnny«, hatte ihm die Frau zum Abschied ins Ohr geflüstert. »Solange du nichts von mir hörst, ist alles in Ordnung.«
    John hatte genickt und sich ein Lächeln abgequält, von dem er hoffte, dass es Zuversicht ausdrückte. Dann war sie verschwunden, lautlos wie ein Schatten, und zurück blieb nur ein Hauch ihres Parfums, süß und fremdartig wie der Duft einer Orchidee.
    John Varley war es gewohnt zu warten. Manche seiner Recherchen dauerten Wochen und Monate, und selbst bei Anfragen innerhalb der Sphere vergingen manchmal Stunden, ehe ein verwertbares Resultat vorlag.
    Aber das hier war etwas anderes.
    Ailin war kaum eine Minute unterwegs, da schaute Johnny schon nach der Uhrzeit und vergewisserte sich danach zum x-ten Mal, dass sein Ohrempfänger eingeschaltet war. Seine Nervosität wuchs mit jeder Sekunde, die ereignislos verstrich.
    Doch es war nicht nur Ungeduld, die ihn veranlasste, immer wieder zur Uhr zu sehen oder durch die spaltbreit geöffnete Hecktür nach draußen zu lauschen. Und es war auch nicht, zumindest nicht ausschließlich, die Sorge um Ailin. John war überzeugt, dass sie mit Schwierigkeiten, gleich welcher Art, besser fertigwerden konnte als er selbst. Natürlich konnte er nicht ausschließen, dass man ihnen eine Falle

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