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Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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gestellt hatte und nur auf einen geeigneten Moment wartete, um zuzuschlagen, aber er glaubte nicht daran. Die Shinawa-Leute hätten sie niemals so weit kommen lassen, wenn sie von ihrem Vorhaben Wind bekommen hätten …
    Die Gründe für Johns Nervosität waren vielschichtig, und selbst wenn er gewollt hätte, wäre es ihm unmöglich gewesen, sie zu benennen. Das flaue Gefühl in der Magengegend spielte dabei ebenso eine Rolle wie der Verdacht, etwas Wichtiges übersehen oder nicht hinreichend beachtet zu haben. Seine Unruhe wuchs mit jeder Minute, die verging, und jagte einen Adrenalinstoß nach dem anderen durch seinen Körper. Obwohl die Hitze längst nicht mehr so drückend war wie tagsüber, waren seine Stirn und der Kragen schweißnass.
    Die Sekunden verrannen, reihten sich beinahe unmerklich zu Minuten: 8 … 10 … 12. Der Schweiß rann klebrig seinen Nacken hinunter. 15 Minuten – immer noch nichts. Entweder Ailin war etwas zugestoßen, oder … Er verscheuchte den Gedanken wie ein lästiges Insekt. Kein oder …
    Doch die Anspannung war zu groß. Er musste versuchen, sie über Funk zu erreichen, auch wenn das gegen die Absprache war. Das Risiko war gering; der Mikroempfänger steckte so tief in ihrem Gehörgang, dass kein Laut nach außen dringen konnte.
    Kurz entschlossen aktivierte er die Engstrahlverbindung: »Ailin? Alles in Ordnung?«
    Bange Sekunden vergingen, dann endlich ihre Stimme, angespannt und seltsam verzerrt: »Melde mich später … da ist jemand im Treppenhaus …«
    Irgendwo im Hintergrund weinte ein Baby, dann brach die Verbindung ab. Das grüne Leuchtfeld auf seinem Compad erlosch. Stille.
    John war wieder allein mit seinen Gedanken – und Zweifeln. Er sah zur Uhr. Ailin war jetzt seit fast zwanzig Minuten im Haus. So lange hielt sich niemand in einem Treppenhaus auf, und selbst wenn, hätte Ailin längst einen anderen Weg gefunden, um ihr Ziel zu erreichen.
    Und wenn sie längst dort ist?
    Der Gedanke durchzuckte Johnny wie ein elektrischer Schlag und wurde zur Gewissheit. Jetzt verstand er, weshalb Ailin darauf bestanden hatte, allein vorzugehen. Sie verfolgte eigene Pläne und hatte niemals vorgehabt, ihn nachkommen zu lassen.
    Was sie konkret von den Matsumos wollte, wusste John natürlich nicht. Die Vorstellung, dass sie jetzt mit ihnen allein war, war beängstigend genug. Zumal er es gewesen war, der Ailin Ramakian auf ihre Spur gebracht hatte …
    John biss sich auf die Lippen und versuchte seiner Erregung Herr zu werden. Doch sein Zorn war stärker. Er musste sie aufhalten, egal, welches Risiko er damit einging. Ein weiteres Mal würde er sich nicht übertölpeln lassen.
    Zorn und Aufregung jagten seinen Puls in die Höhe, aber er war immerhin geistesgegenwärtig genug, ein paar seiner Spezial-Utensilien einzustecken, bevor er sich auf den Weg machte.
    Der Hof lag verlassen im gelblichen Licht der Laternen, das ihm den Weg zum Hintereingang wies. Das Gebäude war kleiner, als Johnny erwartet hatte, und in seiner Hufeisenform durchaus übersichtlich. Unbehelligt passierte er die Treppe und stand kurz darauf im Foyer, wo sich Treppen und Korridor kreuzten. Nur die Nachtlichter brannten und warfen grünliche Ovale auf den weißen Marmorboden. John verharrte einen Moment und lauschte, doch es blieb alles still – kein Kindergeschrei und erst recht kein Babyweinen …
    Postfächer oder eine Informationstafel suchte er allerdings vergeblich. Angesichts des exklusiven Interieurs hätten sie auch deplatziert gewirkt. Da das Gebäude jedoch nur über drei Etagen verfügte, ging Johnny davon aus, dass sich Apartment 3B im obersten Stock befand. Er verschmähte den messingverzierten Aufzug – ein ungewöhnlicher Luxus für einen Ort, der sein Wasser noch aus Zisternen bezog – und benutzte die Treppe nach oben. Der »Jemand«, der Ailin dort angeblich aufgehalten hatte, war inzwischen seiner Wege gegangen. Treppenhaus und Korridore lagen weiter still im grünlichen Schein der Nachtleuchten.
    Totenstill, dachte Johnny und fror plötzlich. Er tastete nach seinem Talisman und beruhigte sich ein wenig, als er das kühle Metall berührte. Dennoch verlangsamte er automatisch seinen Schritt, als er das oberste Stockwerk erreicht hatte. Aus einem Impuls heraus wandte er sich zunächst nach links und hielt sich dabei im Schatten. Er rechnete zwar kaum noch damit, Hausbewohnern zu begegnen, aber er durfte nicht leichtsinnig werden.
    Als er näher trat, musste John feststellen, dass die

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