Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)
Ailin angemietet und er bezahlt hatte, nordwärts und landeten im Industriegebiet einer hässlichen Provinzstadt namens Laijdan.
Dort wartete bereits ein Kleintransporter einer Servicefirma, die sich auf Trinkwasser-Aufbereitungsanlagen spezialisiert hatte, auf sie. Die genauen Modalitäten der Abmachung kannte John nicht. Ailin hatte ihn nur insoweit informiert, dass Firma und Fahrzeug in Peshara bekannt wären und der Termin für die anstehenden Wartungsarbeiten mit dem Betreiber der Anlage abgestimmt sei. Sie würden also ohne Aufsehen ans Ziel gelangen, auch wenn sie dafür die Unbequemlichkeit der Unterbringung im Laderaum des Transporters in Kauf nehmen mussten. Fahrer und Monteur waren ausschließlich für den Transport zuständig und würden im Falle einer Entdeckung behaupten, die beiden blinden Passagiere noch nie gesehen zu haben.
Dafür lassen sie sich aber recht ordentlich bezahlen, dachte Johnny, der den geforderten Betrag vorgestreckt hatte. Ray wird sich wundern, wenn er meine Rechnung auf den Tisch bekommt. Wichtiger als Geld war allerdings die Frage, ob er seinem alten Kumpel dafür auch ein paar Resultate würde liefern können …
Die Fahrt in dem überhitzten, stickigen Laderaum war eine Tortur, und das stundenlange Warten aufgrund einer vorgetäuschten Panne zerrte zusätzlich an den Nerven. John musste allerdings einräumen, dass eine Fahrzeugpanne die glaubwürdigste Begründung für ihr verspätetes Eintreffen darstellte, das zwangsläufig dazu führen würde, dass sich die Arbeiten bis in den späten Abend hinzogen …
Als es dann endlich weiterging, wurde der Untergrund spürbar unebener. Das Stampfen und Schlingern des Elektromobils verstärkte das flaue Gefühl in Johns Magen, das ihm schon seit dem frühen Morgen zu schaffen machte. Er war inzwischen nicht mehr so überzeugt davon, dass es eine gute Idee war, Miriams Pflegeeltern auf diese Weise zu überrumpeln. Es war naiv anzunehmen, dass sein unvermitteltes Auftauchen sie dazu bringen würde, ihm die gewünschten Auskünfte zu erteilen. Wahrscheinlicher war, dass sie sich unwissend stellten oder gar um Hilfe riefen. Dann blieb Ailin und ihm am Ende nur noch die Flucht mit äußerst ungewissen Erfolgsaussichten …
»So weit wird es nicht kommen«, versetzte Ailin Ramakian gelassen, als er seine Befürchtungen aussprach. »Immerhin kommst du ja auch nicht mit leeren Händen, wenn diese Miriam tatsächlich ihre Pflegetochter ist.«
Das stimmt, dachte Johnny, nur hören sich gute Nachrichten wohl anders an: Guten Abend, Mr. und Mrs. Matsumo, wussten sie schon, dass ihre Tochter schon seit ein paar Monaten mit ihrem Schiff verschollen ist? Außerdem bestand durchaus die Möglichkeit, dass Leandros sie längst informiert hatte.
»Kann schon sein«, murmelte er unbestimmt und wich ihrem Blick aus.
»Wir können das Ganze natürlich auch sein lassen.« Die Stimme der Frau klang vollkommen entspannt. Sie wussten beide, dass es dafür zu spät war.
»Ach was«, erwiderte Johnny mit einer abwehrenden Geste. »Wir werden sehen …«
Dann schwiegen sie beide.
Als das Fahrzeug langsamer wurde und schließlich ganz stehen blieb, riskierte John einen Blick durch das winzige Fenster zum Fahrerhaus. Sie standen vor einer Schranke, die wenig später geöffnet wurde. Der Motor begann erneut zu summen, und das Gefährt rollte im Schritttempo bergan. Am Ende der Steigung steuerte der Fahrer zunächst scharf nach rechts, hielt dann an und fuhr langsam rückwärts, bis die Parkposition erreicht war. John erhaschte einen flüchtigen Blick auf eine gepflegte Blumenrabatte und weiß getünchte Wände im Hintergrund. Offenbar befanden sie sich im Innenhof des Anwesens. Türen klappten, Fahrer und Monteur stiegen aus und wechselten ein paar Schritte abseits einige für Johnny unverständliche Worte mit einem Dritten.
»Der Hausmeister«, flüsterte Ailin. »Sie erklären ihm gerade die Verspätung.«
Der Wortwechsel dauerte nur kurz, dann knirschten erneut Schritte auf dem Kies und jemand öffnete die Tür zum Laderaum. Vorsichtshalber duckte sich Johnny in den Schatten eines Plastikfasses, aber es war nur der Monteur, der seine Werkzeugkiste holte und in den Schubladen nach Ersatzteilen kramte. Der Kleintransporter parkte unmittelbar vor einer fensterlosen Wand, sodass selbst bei geöffneter Hecktür niemand in den Laderaum sehen konnte. Sie waren vorerst sicher.
Der Monteur trollte sich mit seinen Utensilien und gesellte sich zu den anderen. Dann
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