Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)
war tief und traumlos.
Zwei Tage später stießen sie auf die erste Spur.
John hatte Ailin das spärliche Material überlassen, das er über Miriams Pflegeeltern besaß, darunter auch das einzige, dreißig Jahre alte Foto. Er hatte die Gesichter mit einem Aging-Programm bearbeitet, das den Alterungsprozess simulierte. Natürlich hatte er im Vorfeld alle relevanten Bereiche der Sphere im Hinblick auf eine mögliche Korrelation durchsuchen lassen, allerdings ohne jeden Erfolg. Möglicherweise waren die beiden längst tot oder an einen Ort gebracht worden, der keinerlei Bezug zu Patonga hatte.
Doch zu Johnnys Überraschung war Ailin bei ihren Recherchen tatsächlich auf einen Mann gestoßen, der Kemuto Matsumo, dem Pflegevater Miriams, auffällig ähnlich sah. Natürlich hatte der Mann – sofern es wirklich der Gesuchte war – seinen Namen geändert, aber sowohl sein Alter als auch das seiner Frau, von der kein Foto in den Datenbanken existierte, entsprach dem der Matsumos. Die beiden lebten in einer Apartmentsiedlung in Peshara, einer Stadt, von der Johnny noch nie etwas gehört hatte.
Wie sich herausstellte, lag sie 200 Meilen nördlich der Küste in einem Gebirgstal und hatte nur wenige Tausend Einwohner. Mangels relevanter Sehenswürdigkeiten war der Ort nicht einmal für Rucksacktouristen interessant und verfügte nur über ein einziges Hotel.
Die wichtigste Besonderheit von Peshara stand allerdings in keinem Touristik-Verzeichnis: Die Stadt galt als Residenz und Logistikzentrum des einflussreichen Shinawa-Clans, der Schätzungen zufolge rund ein Drittel des Drogen- und Dienstleister-Geschäfts der Touristikzone kontrollierte. Es war schwer vorstellbar, dass sich die Matsumos ohne Wissen und Billigung der Clan-Führung dort aufhielten.
»Peshara ist eine Art Festung«, stellte Ailin klar und wischte damit Johnnys Vorschlag vom Tisch, der Stadt einfach einen Besuch abzustatten. »Es gibt nur eine einzige Zufahrtsstraße, die sich ebenso leicht überwachen lässt wie die wenigen Landeplätze. Niemand kommt dort ungesehen hinein, auch wenn es offiziell natürlich keine Kontrollen gibt.«
»Und wie kommen wir dann an die Matsumos heran? Sie werden uns ja kaum besuchen kommen.« Die Ungeduld in Johns Stimme war unüberhörbar. Zwei Tage lang hatte er brav den Touristen gespielt, und jetzt, da sie endlich eine Spur hatten, steckten sie erneut in einer Sackgasse.
»Es wird sich schon eine Lösung finden, Johnny«, erwiderte die Frau nachsichtig. »Aber bestimmt nicht von heute auf morgen. Im Übrigen hast du hier doch nichts auszustehen, oder?«
Sie war einen Schritt näher getreten, und er konnte den Duft ihres Parfüms riechen. In ihren Pupillen glitzerten goldene Fünkchen, und ihre Lippen schimmerten rot und feucht wie der Blütenkelch einer Orchidee. Die Herausforderung war offensichtlich. Johnnys Körper reagierte augenblicklich, und natürlich spürte sie es, als er sie an sich zog.
»Nicht so schnell«, flüsterte sie ihm ins Ohr, aber die Art, in der sie sich an ihn schmiegte, besagte etwas anderes, ebenso wie die flinke, fast beiläufige Bewegung, mit der sie ihren Slip herunterzog.
Das Karussell hatte Fahrt aufgenommen, und ohne einen Augenblick zu zögern, sprang Johnny auf und ließ sich forttragen in einem wilden Rausch aus Verlangen, Schmerz und Erfüllung.
Später, als er nach Atem ringend zu sich kam, schmerzte nicht nur sein Nacken, in den die Frau ihre Fingernägel gegraben hatte. Der Fußboden drückte gegen seinen Rücken, und dort, wo er sich gestoßen hatte, spürte er die Vorboten künftiger Blutergüsse.
Mühsam drehte er den Kopf und sah Ailin, die halb zusammengerollt wie eine Katze friedlich auf dem Teppichboden schlief. Ihre Brust hob und senkte sich mit den regelmäßigen Atemzügen und manchmal huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, als träume sie gerade etwas Schönes.
Johnny sah sie an in der Nacktheit ihres makellosen Körpers und fragte sich, was Ailin Ramakian dazu gebracht haben mochte, sich mit einem zwanzig Jahre älteren und keineswegs besonders vermögenden Mann wie ihn einzulassen, der sie zudem verlassen würde, wenn sein Auftrag erfüllt war. Eine wirklich plausible Antwort fiel ihm nicht ein, und das machte ihn nachdenklich und ein wenig traurig …
John Varleys Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, denn es dauerte Tage, bis die Vorbereitungen so weit gediehen waren, dass sie endlich aufbrechen konnten. Sie flogen mit einem Gleiter, den
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