Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)
deswegen die Riesenkarre hergeholt«, murmelte das Mädchen nachdenklich. »Damit se’s drin einsperren können.«
»Du meinst, den Containerwagen?« Ortega hatte das Fahrzeug ebenfalls vorbeifahren sehen, aber eher an eine verspätete Lieferung gedacht.
»Bestimmt, und was soll’n wir jetzt machen?«
»Die Anordnung befolgen. Der Commander weiß schon, was er tut.« Vor ein paar Minuten hatte das zwar noch anders geklungen, aber inzwischen war Ortega klar geworden, dass es wohl keine Alternative gab.
»Okay, Chefin.« Layla zuckte mit den Schultern, und die Gepardenmänner nickten ergeben.
»Dann los!« Ortegas Gestalt straffte sich. »Bringen wir es hinter uns.«
Die Untersuchung verlief ohne Zwischenfälle, und natürlich waren sämtliche Aufnahmen unauffällig. Im Grunde hätten sie Ortega und ihr Team gar nicht erst durch den Scanner schicken müssen, denn den eigentlichen Test hatten sie schon vorher bestanden. Das Malik-Wesen hätte niemals zugelassen, dass man ihm das Bewusstsein nahm und seinen Wirtskörper einer möglicherweise verräterischen Untersuchung unterzog.
Der Narkosearzt, der Scanner und der ausbruchssichere Container mit bleiverstärkten Wänden waren nur eine Drohkulisse gewesen, im Grunde funktionslos, aber von enormer psychologischer Wirkung.
Roberta und die anderen erholten sich inzwischen im Medcenter und würden in ein paar Minuten zu sich kommen. Eigentlich hätte sich Farr erleichtert fühlen müssen, aber die Erfahrung hatte ihn gelehrt, allzu offenkundigen Tatbeständen zu misstrauen. Für den Augenblick konnte er sich zwar sicher sein, dass das Malik-Wesen kein Mitglied der Crew »übernommen« hatte, aber das war keine Garantie für die Zukunft. Es konnte sich irgendwo verborgen halten – vielleicht sogar hier an Bord – und weiter auf eine günstige Gelegenheit warten.
Deshalb kam es darauf an, die Fiktion einer neuartigen Untersuchungsmethode so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, weshalb er Koroljov und die anderen auch zu strengstem Stillschweigen verpflichtet hatte.
Irgendwann würde er Ortega zwar reinen Wein einschenken müssen, aber bestimmt nicht heute. In fünf Stunden würde die Hemera starten, und bis dahin blieb noch eine Menge zu tun.
Aufbruch
Sie hatten sich in der Messe versammelt, jetzt, da der Countdown in die entscheidende Phase getreten war. »00:30:12«, war auf dem großen Anzeigetableau über der Tür zu lesen – noch dreißig Minuten bis zum Start.
Die Crew war vollzählig, zum ersten Mal seit Beginn des Projektes, und natürlich erwartete sie eine Rede von Raymond Farr, ihrem Kommandanten.
Während seines aktiven Dienstes hatte Farr das Redenhalten zumeist anderen überlassen. Er war kein Freund großer Worte. Ein Offizier hatte Entscheidungen zu treffen, im Idealfall die richtigen, alles andere war zweitrangig. Doch inzwischen war er kein Offizier mehr, und so gab es auch niemanden, der ihm das Redenhalten abnehmen konnte. Unter anderen Umständen hätte er das bedauert, aber jetzt, da alle Augen auf ihn gerichtet waren, sah er sich wie selbstverständlich in der Pflicht.
Er hatte keine Rede vorbereitet, aber das war ein Versäumnis, das er bewusst in Kauf genommen hatte. Aus irgendeinem Grund war er die ganze Zeit über davon überzeugt gewesen, dass er schon die richtigen Worte finden würde, wenn es denn sein müsste.
Im Augenblick war er sich dessen allerdings nicht mehr so sicher, insbesondere nachdem ihm das rote Lämpchen des Kommunikationsmoduls signalisiert hatte, dass seine Worte von nun an nach draußen übertragen wurden. Farr hatte zwar vermieden, allzu oft auf die Bilder der Außenkameras zu schauen, aber es war ihm dennoch nicht entgangen, dass unerwartet viele zum Startplatz gekommen waren, um der Hemera das Geleit zu geben. Ihre Anteilnahme machte ihn stolz und befangen zugleich. Aber es half nichts, der Countdown lief, und er musste reden.
»Liebe Freunde«, begann er und räusperte sich. »In weniger als einer halben Stunde wird unser Schiff, die Hemera, Tharsis Base verlassen und zu einer Mission aufbrechen, die uns allen sehr viel bedeutet. Es ist keine militärische Mission und erst recht keine geheime, wie in den letzten Tagen verschiedentlich berichtet wurde. Weniger Wohlmeinende witterten gar einen Egotrip eines pensionierten Kommandeurs und den Missbrauch von Steuergeldern. Letzteres kann ich guten Gewissens dementieren, denn das Projekt wird vollständig privat finanziert, wofür wir den
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