Götterdämmerung (German Edition)
halbgeschlossenen Augen auf dem dünnen kleinen Hotelkissen und genoss die Wärme unter der Bettdecke. Ein paar Minuten konnte sie ruhig noch liegen bleiben. Sie versuchte, wieder einzuschlafen, aber nun begann ihr Magen zu knurren und sie dachte an frische Brötchen, Eier, Käse, Marmelade und Kaffee. Seufzend setzte Eva sich auf. Erst einmal würde sie ausgiebig duschen.
Sie stand auf und lief zum Fenster, wobei sie die Arme nach vorn streckte und die Schultern kreisen ließ. Es war ungewöhnlich still draußen. Jedenfalls wenn man bedachte, dass das Hotel mitten in der Innenstadt lag und das Fenster zum Parkplatz hinausging. Normalerweise herrschte an einem Wochentag um diese Uhrzeit ein stetes Kommen und Gehen, aber die Autos unten auf dem Parkplatz bewegten sich nicht. Eva machte ein einziges Auto aus, das langsam an den übrigen vorüber fuhr. Auch auf den Straßen herrschte nicht viel Verkehr.
Barfuß tappte sie zu ihrem noch unausgepackten Koffer neben dem Bett, wühlte in ihren Sachen, bis sie Unterwäsche und einen dünnen Rollkragenpullover fand und legte die Sachen auf einen Sessel. Dann stellte sie sich unter die Dusche, drehte die Temperatur so hoch, dass sie es gerade noch aushielt und duschte, bis Schwaden von Wasserdampf durch den Raum waberten. Sie zog sich den weißen Bademantel an, der am Haken hing und ging ins Zimmer zurück, wo sie ihr Bettzeug in einem Fach verstaute und das Bett per Knopfdruck in eine Couch verwandelte.
Eva setzte sich. Sie versuchte, Daniel zu erreichen. Niemand meldete sich, nur seine Anrufbeantworterstimme, die irgendwie anders klang als seine gewöhnliche Stimme: gewollt lässig und unterschwellig nervös, als hätte er sich bei der Aufzeichnung besondere Mühe gegeben.
„Ich bin’s“, meldete sie sich. „Du weißt ja, ich bin ein paar Tage im Hotel. Ruf mich bitte an, ja?“ Sie unterbrach die Verbindung und legte den Kopf schief.
Obwohl sie noch keinen erkennbaren Grund hatte, war das der Zeitpunkt, an dem Eva sich zum ersten Mal Sorgen machte.
Zehn Minuten später lief sie die Treppe ins Hotelrestaurant hinunter. Ein Angestellter kam ihr entgegen und grüßte sie. Sie grüßte zurück.
Das Frühstücksbüfett war entgegen der Beschreibung in den Broschüren und im Internet spärlich und einfach. Widerwillig musterte Eva den beinahe leeren Büffettisch. Es gab kaum Auswahl, keine warmen Speisen, keine Eier und auch keine Brötchen. Es sah aus, als hätte jemand die letzten Reste, die noch im Kühlschrank waren, zusammengesammelt und lustlos auf den Tisch geworfen. In einer Ecke entdeckte sie zumindest eine Kanne mit heißem Kaffee. Eine Frau mit weißer Schürze saß mit hängendem Kopf auf einem Stuhl. Eva wünschte ihr einen guten Morgen. Die Frau antwortete nicht.
Eva sah sich um, konnte aber sonst niemanden entdecken. Sie nahm sich einen Joghurt, eine Scheibe Weißbrot und Marmelade und setzte sich an einen kleinen Tisch am Fenster. Sie war der einzige Gast im Restaurant, aber dem schmutzigen Geschirr am Nachbartisch nach zu urteilen, war sie zumindest nicht der erste. Wahrscheinlich hatten die anderen Gäste längst gefrühstückt und sie als Nachzüglerin musste mit den letzten Resten vorlieb nehmen. Das war mal wieder typisch.
Sie hatte den halben Toast gegessen, als sich Daniel meldete.
„Hallo, hast du meine Nachricht gehört?“, erkundigte sie sich.
„Ja. Ich bin jetzt zu Hause.“ Daniel sprach leise, sodass sie Mühe hatte, ihn zu verstehen.
„Du bist zu Hause?“
„Na ja, du warst so aufgeregt. Ich wollte eben nachschauen.“
„Und? Sind sie noch da?“ Eva bekam eine Gänsehaut, als sie an die beiden Verrückten dachte, die womöglich immer noch vor ihrem Gartenzaun ausharrten.
„Es sind sogar noch mehr geworden.“
„Was? Wie viele denn?“ Sie schob ihren Teller beiseite. Der Appetit war ihr vergangen. Daniel schwieg. Endlich, als Eva schon glaubte, die Verbindung verloren zu haben, meldete er sich wieder. „Als ich gestern Abend ankam, waren es mindestens fünf. Ich habe nicht nachgezählt“, sagte er. „Ehrlich gesagt, fühle ich mich nicht so besonders. Ich glaube, ich bleibe heute besser im Bett.“
„Fünf?“ rief Eva überrascht. „Bist du sicher?“ Daniel erwiderte nichts. „Was hast du denn?“, erkundigte sich Eva. „Eine Erkältung?“
Daniel zögerte. „Ich weiß nicht“, meinte er abwehrend. „Schon möglich.“
„Soll ich vorbeikommen?“
„Lass mal. Ich komm schon klar.“
„Wenn du da bist,
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