Götterdämmerung (German Edition)
etwas, das Ben bisher nicht gehört hatte: Es ist einen Versuch wert.
Er fühlte sich schwermütig dabei, weil er wusste, dass es einen Abschied für immer bedeutete. Gleichzeitig fühlte er eine so große Hoffnung, dass er ein Engegefühl in der Brust spürte und es ihm die Kehle zuschnürte. Einen Versuch wert …
Ben setzte sich auf sein Bett zurück, schloss die Augen und konzentrierte sich auf dieses neue Bild in seinen Erinnerungen. Er hatte das Gefühl, dass es wichtig sein könnte.
Er sah sein Haus, diesmal im digitalen Rückspiegel eines Autos. Es wurde kleiner und kleiner, bis es schließlich von anderen Gebäuden und der Nacht verdeckt wurde. Im Radio lief ein Klassiker. Lost von Coldplay. Damals fast zwanzig Jahre alt und immer noch gut, aber Kai schaltete das Radio aus und konzentrierte sich ganz auf die Straße, auf der der übliche Berufsverkehr gerade erwachte.
Versprich dir bloß nicht zuviel , brummte er. Ach verdammt, was hab ich schon zu verlieren?
Der Wagen bog auf einen großen beleuchteten Parkplatz ein und hielt an. Eine ganze Weile saß Kai einfach nur da. Seine Finger trommelten auf das Lenkrad. Tupp tupp turupp. Menschen liefen vorbei, ohne sich für ihn zu interessieren und er sah ihnen nach und beneidete sie um ihr einfaches, alltägliches Leben. Um die Jahre, die ihm gestohlen wurden, wenn nicht doch noch dieses Wunder geschah, an das er so gern glauben wollte.
Er stieg aus dem Wagen aus. Reihte sich in den Strom der Menschen ein und lief mit ihnen zu einem unscheinbaren U-förmigen Gebäude. FUOP-TECH AG stand in großen silbernen Lettern an der Fassade. Und dann –
Dann war es zu Ende und Ben saß kerzengerade auf seinem Bett.
Er befand sich wieder in seinem grell beleuchteten Zimmer mit den Stofftapeten und den Ölgemälden an den Wänden. FUOP-TECH. Wer immer dieser Kai war, auch er hatte mit dem Unternehmen zu tun gehabt.
Ben knetete die Bettdecke, auf der er saß, mit beiden Händen und wartete auf neue Bilder. Noch mehr Erinnerungen. Aber es passierte nichts mehr. Er musste sich gedulden.
•
Tom hatte nicht mitbekommen, dass an seiner Wohnungstür gerüttelt wurde. Um der ungewohnten Stille zu entgehen, hatte er Kopfhörer aufgesetzt und hörte die letzten Nachrichten ab, die sein Kommunikationstool aufgezeichnet hatte. Dabei bekam er nicht einmal mit, was die Anrufer sagten. Es interessierte ihn auch nicht. Er lauschte nur den Stimmen, die ihm das Gefühl vermittelten, alles sei wie vorher. Alle anderen Geräusche waren weit weg.
Das Hämmern jedoch drang mühelos an seine Ohren.
Tom riss sich die Kopfhörer von den Ohren und lief zu der verschlossenen Wohnungstür, die mit jedem Schlag und jedem Tritt stärker zitterte und knackte. Nick folgte ihm mit aufgestellten Ohren. Er knurrte. „Ruhig, Nick“, murmelte Tom. Das Tier verstummte. Tom eilte ins Wohnzimmer zurück, wo seine Dienstwaffe noch auf dem Tisch lag. Es war nicht nötig, sie einzuschließen, da sie über einen DNA-Scanner verfügte.
Die Tür sprang in dem Moment auf, in dem er die Waffe entsichert hatte, aber Tom ließ sie sofort wieder sinken.
Der Schatten, der auf ihn zukam, gehörte einem Roboter. Es handelte sich um kein besonderes Modell. Keine Extras. Keine Spezialbeschichtung. Es war eher einer dieser Haushalts- und Allzweckroboter, das erkannte Tom, aber mit einer Pistole musste man schon genau zielen, um das dünne optische Kabel zu durchtrennen, welches in einer Art Wirbelsäule vom Schädel in den Rumpf führte und Steuersignale an die Gliedmaßen weiterleitete. Ein Schuss würde nicht reichen. Fieberhaft überlegte er, wo seine EMP-Waffe gerade steckte und kam zu dem Ergebnis, dass sie sich noch unten im Van befand.
Tom überlegte einen lächerlichen Moment lang, ob er aus dem Wohnzimmerfenster klettern konnte, um die Waffe zu holen, aber dass er diesen Ausflug aus dem 30. Stock überlebte, war wohl nicht zu erwarten.
Der Roboter war nur noch zwei Meter von ihm entfernt. Er richtete seine schwarzen Kameraaugen auf die Waffe. Etwas zu lange, fand Tom. Die Maschine wirkte, als hätte sie tatsächlich Respekt vor der Pistole. Tom wünschte, es wäre so.
Er trat einen Schritt zurück, hob die Waffe und richtete sie auf den Roboter. Nick knurrte drohend.
„Ich will nur mit dir reden“, sagte der Roboter und wich einen Schritt zurück. Er hatte eine weiche, angenehme Stimme. Eine von diesen Synchronisationssprecherstimmen, Typ charismatischer älterer Herr. Tom
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