Götterdämmerung (German Edition)
Max, um besser sehen zu können. Der Kran bewegte sich tatsächlich. Gerade begann sich der obere Teil des dreißig Meter hohen Gittermastes zu teilen. Drei Greifarme bildeten sich aus und streckten sich summend zu dem kleinen Fahrzeug hinunter.
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Allmählich wurde es etwas heller. Doch das Licht hatte es schwer, sich einen Weg durch die ascheschwere Luft zu bahnen. Sie fuhren mit Isabelles rostigem Kleinwagen. Simon saß am Steuer. Yasmin hatte sich zwischen ihn und Isabelle auf den Notsitz gequetscht, obwohl es noch eine zweite Sitzreihe gab und drückte den Kopf in Isabelles Seite. Das Mädchen sah blass und müde aus wie Simon. Nur dass ihr Gesicht nicht so schmutzig war.
Sie fuhren nicht schneller als Schritttempo. Alles andere wäre äußerst riskant gewesen. Simon wollte die Fahrt auch nicht dem Autopiloten überlassen. Immer wieder tauchten Hindernisse auf, die er umfahren musste: abgestellte Autos, Gepäckstücke, Müll, undefinierbare halb verbrannte Gegenstände. Tote. Der Staub, der in der Luft lag, behinderte die Sicht und verkürzte Simons Reaktionszeit, aber er verbarg das Fahrzeug so auch etwas vor den Maschinen. Zumindest hoffte er das.
Simon wusste nicht viel mehr über Roboter, als Oliver den Mitgliedern von Spirit erzählt hatte. Aber er war realistisch genug, davon auszugehen, dass sie über verschiedene Ortungssysteme verfügten. Oliver hatte Wärmesensoren erwähnt und Radarwellen. Außerdem waren die meisten Modelle mit akustischen Systemen ausgestattet, die dem menschlichen Hörsinn weit überlegen waren. Möglicherweise waren sie durch den Umstand, dass sie in einem Fahrzeug, einem leblosen Körper, saßen, einigermaßen geschützt. Auf Dauer würde das nicht genügen. Sie hatten nicht einmal eine Waffe dabei.
Simon dachte an das EMP-Gewehr, das Oliver in seine Wohnung mitgebracht hatte. Natürlich war es längst nicht mehr dort, das stand fest. Aber wo befand sich die Waffe jetzt? Vermutlich trug der Boss sie bei sich. Das war am wahrscheinlichsten. Oliver würde sich nicht ohne seine Lieblingswaffe durch die von Robotern verseuchte Stadt bewegen. Aber es gab immerhin auch die Möglichkeit, dass er es nach seinem Aufbruch aus der Wohnung verstaut hatte, um es nicht die ganze Zeit mit sich herumschleppen zu müssen. Bevor die Roboter aufgetaucht waren. Und zwar nicht irgendwo, sondern in einem Versteck in der Nähe des Lagerhauses, das Simon kannte. Nach allem, was er von Oliver über den Angriff der Killermaschinen wusste, hatte der Überfall sich auf das Lagerhaus beschränkt. Das Versteck in der Nähe existierte also noch. Vielleicht. Wenn die Roboter es nicht wie so viele andere Gebäude in der letzten Nacht zerstört hatten.
Er hatte es bis zu Isabelle und Yasmin geschafft. Ein paar Häuser standen noch. Eigentlich sogar recht viele, auch wenn eine große Zahl mittlerweile ausgebrannt war. Sie hatten eine Chance.
„Wir müssen einen kleinen Umweg fahren“, sagte Simon. „Ich weiß, wo wir ein EMP-Gewehr bekommen können.“
„Du hast Zugang zu Waffen?“, fragte Isabelle erstaunt. „Woher?“
„Ist ’ne lange Geschichte“, wehrte Simon ab. Von seinen Aktivitäten bei Spirit hatte Isabelle keine Ahnung und es war auch nichts, was er ihr verraten wollte.
„Also hör zu: Wir holen zuerst das EMP. Unterwegs halten wir Ausschau nach Regierungseinheiten, die das Gegenmittel verteilen. Und wir brauchen noch mehr Lebensmittel.“
Isabelle schüttelte missbilligend den Kopf. „Das hält uns zu lange auf. Wir können nicht erst durch die halbe Stadt fahren. Sieh doch bloß mal hinaus“, sagte sie eindringlich.
„Wir brauchen das EMP.“
„Du und dein bescheuertes EMP!“, schimpfte Isabelle. „Das bringt doch nichts! Wenn wir nicht bald eine Verteilstelle für das Gegenmittel finden, können wir Yasmin vielleicht nicht mehr helfen. Du weißt, wie schnell die Krankheit fortschreitet.“
„Ja. Und ich weiß auch, was neuerdings alles so unterwegs ist. Du hast diese Monster noch nicht gesehen, Isabelle. Also lass mich das EMP-Gewehr holen.“
„Nein. Ich will endlich fort von hier. Das Gegenmittel wird auch außerhalb der Stadt verteilt. Draußen habe ich Freunde, die uns helfen können.“
„Welche Freunde denn?“
„Du kennst sie nicht.“
Simon warf ihr einen zweifelnden Seitenblick zu.
„Streitet euch nicht!“, murmelte Yasmin kaum hörbar.
„Spatz, möchtest du etwas trinken?“, fragte Simon. Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Ich bin bloß
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