Götterdämmerung (German Edition)
meinte Monica. Sie standen auf einer mit Gestrüpp bewachsenen Fläche. Außer Bäumen und Sträuchern war nichts Besonderes zu sehen. Doch plötzlich begann eine große rechteckige Fläche auf dem Boden zwischen den Bäumen zu verschwimmen und gab den Blick auf eine Metalltreppe frei. Sie führte eine Senke hinab zu einer schweren Tür. Es war der Eingang in einen Bunker.
Die Wissenschaftlerin drehte sich um. „Faszinierend, nicht war? Eine hochentwickelte dreidimensionale holografische Tarnung.“
Tom wies auf die Senke. „Sie haben hier einen Bunker?“
„Ja. Unsere Lebensversicherung. Es ist sicher dort. Ein Seitengang führt vom Schloss direkt in den Haupttrakt der Anlage. Aber diese Tür haben wir vorsichtshalber gesperrt. Es gibt also nur noch diesen Eingang und der liegt so versteckt, dass die Roboter ihn nicht sofort finden werden.“
„Nicht sofort?“, fragte Tom skeptisch. Monica verdrehte die Augen. „Vielleicht finden sie ihn auch nie. Ich meinte nur, dass wir dort fürs Erste sicher sind.“ Sie versuchte ein Lächeln. „Wir haben Strom, Wasser und Vorräte für die nächsten Monate. Aber es ist keine Unterkunft für immer.“ Sie wies mit der Hand nach unten. „Wir werden erwartet.“
Ben und Tom setzten sich in Bewegung. Vorsichtig trugen sie Max die leicht schwankenden Stufen hinab. Die Treppe klirrte bedrohlich, als würde sie jeden Moment unter ihrem Gewicht zerbrechen. Ben hielt sich mit der freien Hand am Geländer fest. Monica folgte ihnen. Dann standen sie vor der schweren Stahltür, die den Zugang in die Räume hinter der dicken Betonwand versperrte.
„Ah, da ist ja unsere vermisste vierte Person“, sagte Monica freundlich.
Ben drehte sich hastig um. Der Fremde stand am oberen Absatz der Treppe und sah unschlüssig zu ihnen hinunter. Ben hätte am liebsten beide angebrüllt, Monica und die Qualle, aber er war genauso ein Besucher wie der Fremde und hatte kein Recht zu solch einem Gefühlsausbruch.
„Er hat versucht, mich umzubringen“, sagte er gepresst. Der Fremde würdigte ihn keines Blickes. Stattdessen sah er zu Tom, als wartete er auf eine Einladung zu ihnen herunterkommen zu dürfen.
Monica spielte mit ihrem Schal „Stimmt das?“, wandte sie sich an Tom.
Der drehte seinen Kopf von Ben zu dem Fremden. „Schon möglich“, meinte er. „Er verliert zumindest schnell die Nerven. Und besonders hilfsbereit ist er auch nicht.“ Nachdenklich sah er in Richtung Feld zum Himmel. Die fliegenden Roboter waren längst keine Punkte mehr. Sie hatten klare Umrisse bekommen. „Wir können ihn jedenfalls nicht hier draußen lassen.“
Monica nickte. „Kommt jetzt!“, forderte sie die Gruppe auf. „Bevor sie uns doch noch entdecken.“ Sie trat dicht zu Ben. „Wir werden schon auf dich aufpassen.“
Sieben
13. November 2045
Ein kalter Wind fegte durch die Stadt und brachte die ersten Schneeflocken zum Tanzen. Auf dem Fluss kräuselten sich die Wellen. Eva saß in zwei Decken gehüllt am Fenster ihrer Kabine und beobachtete die Flocken, die durch die Luft wirbelten, sich auf die Reling ihres Bootes setzten und sofort schmolzen. Die Meteorologen hätten von einem atypischen Wetterverlauf gesprochen. Es war Jahre her, dass es so zeitig geschneit hatte. Aber so etwas wie eine Wettervorhersage gab es nicht mehr. Sie wäre auch überflüssig gewesen. Die einzigen, die sich überhaupt noch nach draußen wagten, waren die Maschinen – diese Furcht einflößenden Kreaturen, die immer wieder und immer häufiger durch den Park liefen und Ausschau nach Überlebenden hielten.
Das glaubte Eva zumindest. Sie konnte nicht wissen, welche Ziele die Roboter verfolgten. Sie wusste nur, dass der Park längst nicht mehr sicher war, ebenso wenig wie der schmale Uferweg und wahrscheinlich war auch ihr Boot nicht mehr sicher.
Bisher hatte sie das Boot zweimal verlassen, um sich aus dem Vorratslager einer nahe gelegenen Waldgaststätte mit Lebensmitteln zu versorgen, nun traute sie sich nicht mehr hinaus. Sie traute sich kaum, überhaupt noch irgendetwas zu tun. Was, wenn das Boot sich mit ihr bewegte und sein Schaukeln den Monstern da draußen ihren Aufenthaltsort verriet?
Also tat sie nichts. Saß nur da und las die bedeutungslos gewordenen Texte, die auf ihrem E-Panel gespeichert waren. Sah sich die alten Fotos an. Wartete. Auf einem schmalen ausklappbaren Tisch stand eine Tasse mit Tee. Noch lieferten die Batterien genügend Strom für Heizanlage und Pantry. Aber nicht ewig.
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