Götterdämmerung (German Edition)
waren und was sie die letzten Stunden und Tage erlebt hatte und je mehr Zeit verging, desto mehr vergaß sie. Nacheinander wurden sämtliche Erinnerungen gelöscht. Alle – bis auf ihren Namen.
Maria öffnete die erstbeste Tür. Sie führte ins Bad. Dort kauerte sie sich in die Ecke zwischen Badewanne und Schrank.
Etwas passierte mit ihr. Sie musste jetzt nur noch warten.
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„Die Geräte scheinen zu funktionieren“, sagte Nadja mit einem prüfenden Blick auf die beiden MRT-ähnlichen Röhren und die Daten auf dem Bildschirm daneben. Lange Zahlenreihen, die für einen Laien aussahen wie willkürlich zusammengestellte Ziffern und Zeichen ohne jeden Zusammenhang.
Sie hatten die Türen mit den neuen Codes problemlos passiert. Jetzt befanden sie sich im Labor, dem Filetstück der Firma. Tausende Patienten hatten sie im Laufe der letzten Jahre hier behandelt und die Auftragsbücher waren immer noch voll. Und das, obwohl eine Behandlung so viel kostete wie ein mittelgroßes Einfamilienhaus und offiziell verboten war. Diese beiden Geräte hier hatten die Firma – und vor allem Eisenberg – reich gemacht. Aber nun konnten sie ihnen nicht mehr trauen.
„Ob sie funktionieren, wissen wir erst, wenn wir sie ausprobiert haben“ knurrte Eisenberg. Nadja nickte und schaltete die Geräte ab. Es dauerte einige Minuten, bis das monotone Summen, das von ihnen ausging, verstummte und in dieser Zeit schwiegen sie und hingen beide ihren Gedanken nach.
„Er hat sie garantiert manipuliert“, schnaubte Eisenberg schließlich. „Ich kann sie nicht einsetzen, bevor ich nicht weiß, dass sie sicher sind.“
„Du könntest sie ausprobieren“, scherzte Nadja zaghaft. „Wenn es funktioniert, hätte die Firma zwei Bosse.“
„Kommt nicht in Frage. Wer weiß, was das Gerät aus mir macht. Wir müssen zuerst die Programme komplett löschen und neu aufspielen.“
„Das dauert Wochen“, meinte Nadja.
„Ja. Es sei denn, wir finden einen Freiwilligen, der sich für den Test zur Verfügung stellt.“
„Wohl kaum.“
Eisenberg sah sich unschlüssig um. „Sehen wir nach, ob die Roboterproduktion noch läuft!“
Sie verließen das Labor und folgten dem Gang weiter in Richtung der Fabrikhalle, die aus Sicherheitsgründen unter der Erdoberfläche gebaut worden war. Das Unternehmen wollte sich gegen Anschläge von außen absichern. Es gab noch eine zweite Fabrikhalle, draußen am Stadtrand, allerdings wurden dort nur noch unbedeutende Teile gefertigt. Teile, deren Verlust sie nicht ruinieren würde, denn die Versicherungen bezahlten nach einem Anschlag nur noch einen geringen Prozentsatz der Schäden. FUOP-TECH gehörte einer hohen Risikogruppe an und um mehr Geld zu bekommen, müsste die Firma horrende Versicherungsbeiträge entrichten.
Die unterirdische Fabrikhalle erreichte man auf drei Wegen: Zum einen über die Lieferzufahrt, die etliche Mitarbeiter kannten, auch wenn sie selbst niemals in der Fabrikhalle gewesen waren. Ein zweiter Eingang befand sich zwei Kilometer von der Zentrale und vier Kilometer von der alten Halle entfernt in einem kleinen unspektakulären Gebäude, einer Zweigstelle des Unternehmens, in der es abgesehen von dem geheimen Zugang nur noch ein winziges Büro und einen großen Briefkasten gab. Der Zutritt zu diesem Gebäude wurde streng überwacht. Nur ein gutes Dutzend Angestellte wusste davon. Und es gab diesen Gang, den man durch das Untergeschoss erreichte und den außer Eisenberg nur noch drei Personen kannten.
Für die Roboterproduktion waren keine Arbeiter nötig, keine Menschen, die den reibungslosen Ablauf kontrollierten. Das taten die Maschinen selbst. Und sie taten es zuverlässig, sorgfältig und kostensparend.
Einmal täglich sah Eisenberg dennoch nach dem Rechten. Meist genügte es, einen kurzen Blick in die Fabrikhalle zu werfen, um zu sehen, dass alles zu seiner Zufriedenheit lief. Heute hatte er jedoch das Gefühl, dass es nicht so einfach werden würde. Heute fühlte er sich nicht als Boss, sondern als Eindringling in ein fremdes, feindliches Territorium.
Auf beiden Seiten des Ganges leuchtete Licht, das sich mittels Bewegungsmelder automatisch ein- und ausschaltete. Trotzdem hätte Eisenberg sich mit einer banalen Taschenlampe wohler gefühlt. Oder mit einer Fackel. Mit irgendetwas, das nicht einfach so ausgehen konnte. Er starrte in die grellen blauweißen Lämpchen an den unverputzten Wänden, als könnte er sie auf diese Weise zum Weiterleuchten zwingen. Wider Erwarten
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