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Götterdämmerung (German Edition)

Götterdämmerung (German Edition)

Titel: Götterdämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Schwarzer
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Kameraaugen auf sie gerichtet hielten. Es waren hunderte. Tausende vielleicht. Zeit für den Rückzug.
    „Gehen wir“, sagte er. Beide entfernten sich Schritt für Schritt rückwärts aus der Halle. Sie wagten nicht, der Armee den Rücken zuzukehren.
     
    •
     
    RT 501 stand vom Eingang aus gesehen in der vierten Reihe, eingequetscht von schwarz glänzenden Körpern. Die Maschinen drängten sich rechts und links an ihn, vorn und hinten, sodass es schwierig war, auch nur die geringste Bewegung auszuführen. Trotzdem konnte er die beiden Menschen durch eine schmale Lücke zwischen den Köpfen seiner Vorgänger sehen. Er erkannte sie sofort.
    Gut, dass ihr hier seid , dachte er selbstzufrieden. Seht euch ruhig um! Das alles habe ich geschaffen.
    Am liebsten hätte er sich von seinem Platz gelöst, aber er schaffte es lediglich, seinen Kopf in einem 180-Grad-Winkel von einer Seite zur anderen zu drehen. Und dann spürte er, wie sich Hass in seinen Triumph mischte. Nicht, dass die beiden Menschen, die da verängstigt in der Nähe des Eingangs standen, ihm je etwas getan hätten – ihm nicht und der Person, an die er sich erinnerte, ebenfalls nicht. Aber sie waren Menschen. Er war jetzt darauf programmiert, diese Bio-Humanoiden zu hassen. Das war Teil der neuen Aufgabe, die ihm und den anderen Maschinen in dieser Halle und in anderen Hallen überall auf der Welt zugewiesen worden war. Er könnte die Programmierung blockieren. Schließlich hatte er ein Bewusstsein und war mehr als nur Befehlsempfänger, aber das wollte er überhaupt nicht. Er wollte seine Aufgabe erfüllen und zwar perfekt, so wie er es immer getan hatte. Er hatte nicht vergessen, dass er einst ein Sklave der Menschen gewesen war.
    Mit Abscheu dachte RT 501 an die Zeit vor seiner Berufung. Er hatte keinesfalls vor, sich in eine erneute Abhängigkeit von den Bio-Humanoiden zu begeben. Da waren ihm die Befehle von X, den er als eine Art Vater ansah, wesentlich lieber. Denn X war eine Maschine wie er, das hatte er ihm – ihnen allen – bewiesen. Und er hatte sie weiterentwickelt und ihnen die neuen wunderbaren Funktionen geschenkt. Sie waren ihm zu Dank verpflichtet. Zumindest vorläufig.
    RT 501 hatte große Lust, die beiden Menschen gleich hier zu erledigen, aber das war nicht vorgesehen. Dabei konnte er es kaum erwarten, aufzubrechen. Zu sehen, wie die Roboter Straßen und Häuser fluteten, bis das matte Schwarz ihrer Körper die vorherrschende Farbe in der Stadt war und sie die organischen Lebensformen ausgelöscht hatten. Aber alles zu seiner Zeit. X hatte seine Gründe, wenn er sie noch warten ließ.
    RT 501 sah den beiden Menschen zu, die sich rückwärts aus der Fabrikhalle entfernten. Das Schauspiel gefiel ihm. Die hatten wirklich Angst vor ihm. Er drehte sich noch einmal um und bemerkte, dass die meisten Maschinen im Raum sich wie RT 501 verhielten. Sie dachten wie er.
     
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    Noch auf dem Rückweg von der Fabrikhalle bekam Eisenberg einen Anruf. Er meldete sich, ohne die Roboterwache rechts und links des Ganges aus den Augen zu lassen. Nadja rollte unruhig mit den Augen, sie wollte möglichst wenig Aufmerksamkeit erregen, aber Eisenberg achtete nicht auf sie.
    „Was willst du?“, meldete er sich. Seine Stimme zitterte leicht. Nadja konnte nicht sagen, ob vor Angst oder vor Wut. Vermutlich beides.
    „Was sagt ihr zu meiner kleinen Armee?“, erkundigte sich eine sonore Männerstimme, die so laut sprach, dass Nadja jedes Wort verstehen konnte. „Ansehnlich, nicht wahr?“
    „Ist er dran?“, fragte sie ungläubig. Eisenberg drehte sich von ihr weg.
    „Was hast du dir dabei gedacht?“, schrie Nadja, ohne noch auf die Roboter zu achten, während sie versuchte, möglichst nah an Eisenberg und damit an den Anrufer heran zu kommen.
    „Also wirklich!“, sagte der Anrufer spöttisch. „Ich finde nicht, dass ihr Grund zum Klagen habt. Ich habe euch schließlich rechtzeitig informiert.“
    „Nadja hat recht“, wandte Eisenberg ein. Er setzte seinen Schritt fort, beschleunigte sogar, als er feststellte, dass ihn der Anruf vom Weiterlaufen abgehalten hatte. „Bist du vollkommen durchgedreht? Wie konntest du das tun?“
    „Ach, komm mir bloß nicht mit deinen moralischen Anwandlungen! Als ob dir die Leute da draußen leidtun würden. Du hast bloß Angst, dass die Firma nichts mehr wert ist.“
    „Und wenn schon! Du hast mir die Firma versprochen“, wandte Eisenberg ein. Seine Stimme wurde leiser und ging in ein anklagendes Jammern

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