Götterdämmerung (German Edition)
schien, sodass er keinen klaren Gedanken fassen konnte. Er wusste nicht, was mit ihm passiert war. Er sah nur dieses spärlich eingerichtete Krankenzimmer, das sich überall befinden konnte.
Mit zittrigen Händen griff er nach dem Glas in der Halterung. Er trank hastig, wobei ihm das Wasser am Mund vorbei über Kinn und Hals auf sein T-Shirt lief.
Kein grässliches Krankenhausnachthemd , dachte er erleichtert und schlussfolgerte daraus, dass er sich wohl nicht im Krankenhaus befand.
Die Tür wurde aufgerissen und eine Frau kam herein. Ein paar Strähnen hatten sich aus ihren hochgesteckten Haaren gelöst und hingen ihr ins Gesicht. Sie stellte den Warnton des EKG-Gerätes ab. Tom erkannte sie sofort: Das war Nadja Bergmann, Eisenbergs Assistentin. Ihm fiel ein, dass er in Eisenbergs Büro gewartet hatte. Und dass der Chef von FUOP-TECH ihm etwas zeigen wollte.
Was war es bloß gewesen? Gottverdammtes Hämmern.
„Was haben Sie mit mir gemacht?“, brachte er mühsam heraus.
„Sie sind plötzlich zusammengebrochen“, erklärte Nadja Bergmann. „Wie fühlen Sie sich?“
„Zusammengebrochen? Wo bin ich?“ Tom hob das Glas erneut zum Mund, aber es war leer.
„Sie sind immer noch bei FUOP-TECH. Möchten Sie noch etwas trinken? Ich bringe Ihnen gleich was.“
„Danke. Ja.“ Tom presste die Hände gegen die Schläfen. „Haben Sie ein Schmerzmittel?“
„Ja, natürlich.“ Die Frau verließ den Raum und kam kurz darauf mit einem vollen Glas und einer großen gelben Kapsel zurück. Tom betrachtete die Kapsel skeptisch und gleichzeitig voller Gier. Er wusste, dass es vermutlich keine gute Idee war, ein Medikament zu nehmen, von dem er nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, worum es sich handelte, aber die Kopfschmerzen ließen ihm kaum eine Wahl. Also würgte er die Kapsel hinunter und spülte mit einem großen Schluck Wasser nach. Das Zittern seiner Hände hatte etwas nachgelassen, sodass er es diesmal schaffte, nichts zu verschütten.
„Doktor Eisenberg wollte mir etwas zeigen“, sagte er schwach. Nadja nickte und sah zur Decke, wo sich neben der Lampe auch eine Kamera befand, wie er jetzt bemerkte.
„Die Transfergeräte, ja. Er holt es nach. Sie sollten jetzt erst einmal nach Hause fahren und sich eine Weile ausruhen!“, sagte sie und sah ihn an. Tom fiel auf, wie blass sie aussah und dass ihre Augen dunkle Ringe trugen. „Haben Sie jemanden, der Sie abholt?“
Tom ging nicht auf die Frage ein. Er erinnerte sich, dass er mit Nadja und Eisenberg zum Aufzug gegangen war. Was danach passiert war, konnte er nicht mehr sagen. Aber er wusste noch, weshalb er überhaupt zu FUOP-TECH gefahren war: RT 501.
„Eisenberg schuldet mir immer noch den Roboter“, stellte er fest.
„Vergessen Sie den RT! Es gibt Wichtigeres.“ Nadja stellte das Gitter seines Bettes herunter. Tom setzte sich langsam auf und zog seine Schuhe an, wobei er sich am Bett abstützen musste. Seine Kopfschmerzen begannen allmählich abzuklingen.
„Ich fahre jetzt nach Hause“, meinte er. „Aber ich komme wieder.“
Nadja Bergmann winkte ab. „Tun Sie das!“
„Ich werde dafür sorgen, dass die Vorgänge hier aufgeklärt werden.“
„Sie verschwenden nur Ihre Zeit.“ Sie öffnete den Nachttisch, zerrte seine zerknautschte Pilotenjacke heraus und reichte sie ihm. Tom verzog ärgerlich das Gesicht, nahm sie aber wortlos entgegen. Dann stand er auf, sich mühsam auf seinen scheinbar substanzlosen Beinen haltend und lief zur Tür. Als er die Türschwelle übertrat, fiel ihm jäh der Computerausdruck auf Eisenbergs Tisch ein und er musste sich am Türrahmen festhalten. Erschüttert drehte er sich um. Die Assistentin stand reglos in einer Ecke und folgte ihm mit ihrem desillusionierten Blick.
„HMO A16“, murmelte er. „Die Krankheit ist wirklich ausgebrochen?“
„Ja“, erwiderte sie leise. „Gehen Sie endlich und bringen Sie sich in Sicherheit!“,
Tom wandte den Blick ab und verließ den Raum.
•
Tom erwachte in dem gleichen Raum, in dem er eingeschlafen war. Nur dass er jetzt nicht mehr auf der Liege vor den MRT-ähnlichen Röhren lag, sondern an der gegenüberliegenden Seite des Raumes stand. Die Liegen waren leer, das monotone Summen der Röhren verstummt. Eisenberg und seine Assistentin standen neben ihm.
„Wie fühlen Sie sich?“, fragte die Frau.
„Gut. Wieso?“ Tom erschrak. Er erkannte seine Stimme nicht. Die Stimme, die er hörte, klang weich und angenehm – und fremd. Sicher eine Nachwirkung
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