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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis
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Sicherlich wäre mir noch etwas Zündenderes eingefallen, aber ich wollte nur noch weg.
    Auf meiner Fahrt zurück in mein Motel kamen mir auf der Scottsdale Road zwei Hummer mit Tarnlackierung entgegen. Als sie vorbeifuhren, sah ich, dass sie vollbesetzt waren: kräftige Männer in Tarnanzügen, Schulter an Schulter, HBB-Kommandos, die im Anschluss an ihre morgendliche Patrouille ihrem Kommandeur Bericht erstatten wollten. Ich trat auf das Gaspedal und der alte Monte heulte auf. Als Nächstes kamen zwei Streifenwagen den Highway hinaufgebrettert — die Antwort auf meinen Notruf. Sie würden bei Selbiades eintreffen, bevor die Kommandos überhaupt begriffen hatten, was geschehen war.
    Ich holte meine Sachen aus dem Motel in Chandler, fuhr auf die I-10 und weiter Richtung Osten. Ein Happy End sah anders aus, aber lägen erst mal alle Fakten auf dem Tisch, wäre Hector rehabilitiert und Selbiades als der teuflische Charakter entlarvt, der er gewesen war.
    Ihres finanziellen Kopfes beraubt, würde die Hans-Brinker-Brigade allenfalls noch das Zeug zu einer Fußnote in der Dissertation irgendeines Studenten haben, der sich des Themas »Spielarten amerikanischer Paranoia« wissenschaftlich zu nähern sucht.
    Ich würde einiges erklären müssen und möglicherweise würde ich meine Verstrickungen in die Affäre nicht mit absoluter Offenheit schildern können. Doch das beunruhigte mich kaum. Die alte .45er konnte nicht zurückverfolgt werden und es erschien mir eher unwahrscheinlich, dass das, was die entrückte Mrs. Selbiades zu Protokoll geben würde, bei den Cops verfinge. Meine Version jedenfalls las sich wie folgt: Auf der Suche nach Hector fand ich ihn und Selbiades tot im Keller. Punkt.
    Das Schwierigste, was mir bevorstand, war das Gespräch mit Carla, wenn ich ihr eröffnen musste, was geschehen war. Nichts, dem ich mit Freuden entgegensah.
    Irgendwo östlich von Tucson hielt ich an einem Truck Stop, um zu tanken. Hier, in eintausenddreihundert Meter Höhe, war die Luft viel kühler. Eine Brise verfing sich unter meinem Hemd, während ich den Monte fütterte. Es kam mir vor wie eine Atempause.
    Über dem Truck Stop zog ein Rotschwanzbussard auf Beutetour seine Kreise, wohl wissend, dass Mäuse und andere kleine Nager sich anlocken ließen von den Müllcontainern und den Essensresten, die die Leute über die Seitenfenster ihrer Autos entsorgten. Dramen der Nahrungskette — und ständig wurden neue geschrieben.
    Als die Nacht anbrach, hatte ich Las Cruces erreicht. Eine Stunde später war ich wieder in El Paso, zurück in meinem Motelzimmer, bereit, ins Bett zu fallen und tagelang durchzuschlafen.

47
    Am Abend des nächsten Tages hatte das Wetter gewechselt. Von der kanadischen Steppe war eine Front herangezogen, die eine silbrige Bewölkung und einen trockenen Wind brachte. Ich duschte eine Minute unter dem heiligen Wasser des Hueco Bolson, trank einen mit lithiumreichen Wasser gebrühten Kaffee und las die Freiexemplare der Zeitungen, die das Motel zur Verfügung stellte — oder besser gesagt: Ich tastete die Buchstaben ab. Am Ende landete ich bei CNN, um herauszufinden, ob die Vereinigten Arabischen Emirate während meiner Abwesenheit in Schweden einmarschiert waren. Die Welt, die ich zurückgelassen hatte, drehte sich weiter, mit allen Fehlern, Nachteilen und Mängeln. Welche Götter auch immer das Chaos kontrollierten, ich schickte ihnen ein Dankgebet.
    Ich musste mich wieder mit dem alltäglichen Wahnsinn des Alltags verkabeln. Der dunklere, nichtalltägliche hatte meine Reserven angezapft und langsam wurde es Zeit, dass die Albträume, die im Wachen und die im Schlafen erlebten, sich in der Geschäftigkeit des banalen TageinTagaus verflüchtigten.
    Ich rief einen mir persönlich bekannten Immobilienmakler am Thunderbird Drive an und vereinbarte einen Termin für den darauffolgenden Tag. Ich rief im El Descanso an und bat darum, mit dem Zimmer meiner Mutter verbunden zu werden. Die Vermittlung stellte mich durch. Ich ließ es zehnmal klingeln und legte auf. Das Pflegeheim war nicht weit weg vom Maklerbüro. Ich würde vorbeifahren und Velma besuchen, nachdem ich ihr Haus den Gesetzen des Marktes ausgeliefert hatte.
    Ich rief Fernie Peralta zu Hause an, nur um die Stimme der einzig zurechnungsfähigen Person zu hören, die ich kannte. Zum Glück war er nicht da. Vermutlich hätte ich ihm in meiner derzeitigen Verfassung rückhaltlos berichtet, was sich in Scottsdale zugetragen hatte, und das hätte ihn, den

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