Götterdämmerung in El Paso (German Edition)
Juristen, eventuell in die Zwickmühle gebracht. Sollte man herausfinden, dass ich zum Zeitpunkt des Mordes und des Selbstmordes in Scottsdale gewesen war, sollte ich aufgefordert werden, mich diesbezüglich zu äußern oder sogar vor einer Grand Jury aussagen müssen, würde ich meine Geschichte erzählen. Andernfalls würde die schmutzige Affäre mit mir sterben.
»Hab ich dich vagabundierenden Mistkerl endlich erwischt«, sagte Luther. »Was machst du in diesem Rattenloch? Dein Apartment ist fix und fertig, blitzblank und frisch gestrichen, inklusive Zottelteppich. Sieht wieder aus wie in den Fünfzigern. Man hat dir sogar einen schicken Esstisch und Stühle aus Chrom spendiert.«
Es war Mittag. Ich hatte noch einmal zwölf Stunden geschlafen, dieses Mal ohne von Kommandos oder Skalpell schwingenden Hautärzten heimgesucht zu werden. Luther schien weitere fünfundzwanzig Kilo zugelegt zu haben. Jedenfalls füllte er den Türrahmen zu meinem Zimmer vollständig aus. Ich hatte wohl die Tür nicht verschlossen oder das schwache Schloss hatte Luthers Gewicht nichts entgegenzusetzen gehabt.
»Was willst du, Luther?«
»Zieh dich an, eine Feier steht ins Haus«, sagte er.
Lelanie schob ihn beiseite und schlüpfte ins Zimmer. Ich zog die Bettdecke hoch, konnte jedoch nicht verhindern, dass sie einen Blick auf J.P. Morgans nackte Haut erhaschte.
»Was feiern?«, fragte ich.
»Erzähl’s ihm, Lelanie«, sagte Luther.
Sie lächelte mich an und machte es spannend.
»Mir was erzählen?«
»Luther hat Der Entfesselte Parsifal verkauft!«, verkündete sie schließlich.
»Dreh dich um, Lelanie«, sagte Luther, »damit der Mann aus den Federn kommt und sich was anziehen kann. Wir müssen die Sache doch begießen.«
»Gratuliere, Luther. Wer hat ihn denn gekauft?«
»Erzähl ich dir später. Zieh dich an, wir fahren zum Paso del Norte. Komm in die Gänge, Junge!«
In Luthers edlem alten Packard fuhren wir in das edle alte Hotel. Das Paso del Norte hatte eine der schönsten Bars auf diesem Planeten. Über dem kreisrunden Tresen wölbte sich eine Deckenleuchte, die aussah wie ein riesiger Tiffanylampenschirm und bunte Lichtflecken auf das Mahagoniholz zauberte. Rund ein Dutzend Männer mit teuren Haarschnitten und noch teureren Anzügen saßen dort in Gruppen, zu dritt oder zu viert, tranken ihre nachmittäglichen Martinis und widmeten sich von Zeit zu Zeit ihren Mobiltelefonen. Ich bestellte ein Bier und ließ mir aus dem Restaurant ein Pastrami-Sandwich kommen. Letzteres übrigens meine erste Nahrung seit zwei Tagen.
Luther zierte sich ein wenig, doch ich fragte ihn kein zweites Mal, wer sein Buch gekauft habe.
»Verrat’s ihm, Schatz«, sagte Lelanie. »Verrat ihm, wer dein Verleger ist.«
»Yelburton House«, sagte er, »ein Imprint von Zellman and Rutledge. Sie haben vor ein paar Jahren diesen Bestseller über Czar, die rumänische Kinderprostituierte, herausgebracht.«
»Dicker Vorschuss?«, fragte ich.
»Du weißt, dass mir Geld nichts bedeutet«, sagte Luther.
»Also kein Vorschuss?«
»Zwölfhundertfünfzig Dollar, nachdem Luther den Vertrag unterschrieben hat«, sagte Lelanie. »Und weitere zwölfhundertfünfzig nach Drucklegung.«
»Na wenn dem so ist, nehm ich noch ’n Bier«, sagte ich.
»Ja, spotte du nur«, maulte Luther. »Aber das Geld ist mir egal. Das könnte mein Durchbruch werden.«
»Entschuldige, Kumpel. Ich wollte dir nicht die Stimmung verderben. Gratuliere. Ich mein’s ehrlich.«
»Natürlich möchten sie, dass er zuerst einige Änderungen vornimmt«, sagte Lelanie. Luther warf ihr einen giftigen Blick zu.
»Wie? Bevor sie dir den Vertrag schicken?«, fragte ich.
Er sah mich beleidigt an, kippte seinen George Dickel Sour Mash — seinen vierten — und ging zu Bier über. »Es geht ums Geschäft, nicht um Wohltätigkeit. So läuft das nun mal«, sagte er. »Sie wollen ein Produkt, von dem sie glauben, dass es sich verkauft, also machen sie Vorschläge.«
»Welche?«
»Sie wollen, dass er sich von Wagner verabschiedet, von diesem alten, überdrehten Typ«, sagte Lelanie. »Sie mögen diesen Neunzehntes-Jahrhundert-Sturm-und-Drang-Romantik-Kram nicht. Sie wissen schon, J.P., Tournüre und Jupon und endlose Gespräche in muffigen Salons. Leidenschaft im duftenden Mondenschein, untermalt von trillernden Geigen. Sie glauben, dass dieser Krempel für das heutige Publikum zu sentimental ist. Sie wollen, dass es nur um Hitlers Drogensucht geht, Punktum. Sie wollen Hitler,
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