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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis
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immer er angewendet wurde, er war zu stark, als dass ich mich ihm widersetzen konnte. Ich wollte nicht wieder hineingeraten in diese Strömung. Ich musste meine apolitische Haltung beibehalten. Als wir uns voneinander verabschiedeten, sagte ich Lebewohl, nicht hasta la vista. Lebewohl heißt für immer. Sie küsste mich, aber ihre Lippen waren kühl. Genau wie meine.

50
    Nach nur wenigen Tagen zu Hause kehrte bei Velma linksseitig das Gefühl zurück. Mithilfe eines Rollators konnte sie sich sogar durchs Haus bewegen. Dreimal die Woche fuhr ich sie zur Physiotherapie. Ich zog bei ihr ein und beabsichtigte, so lange zu bleiben, bis ich eine ständige Pflegekraft gefunden hatte. Adult Protective stimmte dem widerwillig zu, wies mich jedoch darauf hin, dass regelmäßig nicht angekündigte Kontrollen durchgeführt würden.
    Velma war so glücklich, dem El Descanso entkommen zu sein, dass sie sich bereit erklärte, wieder zu essen. Die Fortschritte bei ihrer Genesung schrieb sie der Mutter Gottes an der Wohnzimmerdecke zu, dem Einfluss meines Vaters aus einer anderen Dimension und ihrer Starrköpfigkeit.
    An dem Tag, als Pilar Mellado sich angesagt hatte, bereitete ich Velma ein Mittagessen zu aus gebratenem Wels, Basmatireis und Gemüse. »Ich möchte, dass du in Pilars Gegenwart isst. Gibst du ihr auch nur den geringsten Anlass, an der neuen Vereinbarung zu zweifeln, bist du rappklapp wieder im El Descanso.«
    »Ich habe keine Angst vor ihr«, sagte Velma und reckte ihr Kinn vor.
    »Siehst du? Das ist genau die Einstellung, die du aufgeben musst. Willst du gegen das Rathaus kämpfen? Sie werden jedes Mal gewinnen.«
    »Die schöne neue Welt ist Wirklichkeit geworden«, sagte sie.
    »So schön ist sie gar nicht und erst recht nicht neu«, erwiderte ich.
    »Zu meiner Zeit kümmerte man sich umeinander.«
    »Zu deiner Zeit haben sie Großmutter auf den Dachboden verfrachtet, damit sie ihre komischen Geräusche nicht hören mussten.«
    Sie war nicht wirklich auf Streit aus. Sie hatte ihren Willen durchgesetzt, wenigstens für eine Weile. Wenn sie ein Jahr, vielleicht auch nur ein oder zwei Monate in ihrem Haus bleiben konnte, hatte sie einen Sieg davongetragen.
    »Wenn Pilar nachher da ist«, sagte ich, »erzähle nichts über Jungfrauen, andere Dimensionen oder über Dads Besuche, okay?«
    »Du willst, dass ich Lügen erzähle?«
    »Konfrontiere zumindest nicht jedermann mit deinen Ansichten.«
    »Und wenn sie spezielle Dinge wissen möchte?«
    »Dann kannst du lügen.«
    Eine Woche später recherchierte ich im Fall einer Frau, die behauptet hatte, im Casita Linda, einer Tex-Mex-Fast-Food-Kette mit Sitz in San Antonio, in ihrer Guacamole einen Augapfel gefunden zu haben. Der hiesige Franchisenehmer war bei Sundown Fidelity versichert. Ich arbeitete wieder für Sundown, diesmal jedoch auf der Basis von Erfolgshonoraren. Man hatte sich reumütig gezeigt, eingeräumt, dass es ein Fehler gewesen sei, mich gehen zu lassen, und meine Leistungen in der Vergangenheit gerühmt. Ich akzeptierte beides, die Entschuldigung und das Lob, und sagte zu, mich des Falles anzunehmen. Nebenbei, ich brauchte Geld, denn ich hatte Olga Maria Calderón eingestellt, eine Illegale, damit sie sich um meine Mutter kümmerte.
    Fernie Peralta war dabei, für Olga eine begrenzte Aufenthaltserlaubnis zu erwirken, obwohl die meisten Arbeitskräfte von der anderen Seite des Flusses derlei Papiere nicht besitzen. Das ist allgemein bekannt, auch der Stadt und der Einwanderungsbehörde, doch niemand stört sich daran. Ist so ein El-Paso-Ding, keine große Sache. Es funktioniert. Würde der Rest des Landes nur für eine Minute zur Vernunft kommen, könnte er viel von El Paso lernen.
    Der Augapfel war der einer toten Katze. Einen Tag, nachdem die Frau ihre Ansprüche geltend gemacht hatte, fand ich die Katze auf einem freien Platz direkt hinter dem Haus der Frau. Sie lag in einem flachen Grab, mit Steinen bedeckt und oben, auf den Steinen, lag ein aus Eisstielen geformtes Kreuz. Ich brauchte kein Bodenradar, um die Stelle zu finden. Dort wimmelte es nur so von aufgeregten roten Ameisen, den passionierten Fleischfressern. Ein Auge der Katze war herausgehebelt worden, mit einem Teelöffel und post mortem — zumindest hoffte ich das. Den Teelöffel fand ich als Grabbeigabe. Ein Volltreffer.
    Die Frau, die behauptete, sie leide seit dem Vorfall unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, hatte Casita Linda auf zwei Millionen fünfhunderttausend verklagen

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