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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis
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wollen. Nun musste sie sich wegen Erpressung, Betrugs, Falschaussage und aller möglichen infrage kommenden Vergehen verantworten. Die Augapfel-in-der-Guacamole-Story schaffte es nicht in die Presse, sondern wurde im Keim erstickt. Zum Glück für das Restaurant. Sundown schickte mir einen üppigen Scheck und der Manager des Casita Linda überreichte mir einen Packen Rabattcoupons.
    Olga Maria Calderón, schön und voller Würde, war dem Fluss wie ein Gottesgeschenk entstiegen. Ich hatte mich zum Essen im La Hacienda aufgehalten, einem Restaurant plus Bar am Nordufer des Rio Grande. Das Gebäude, Teil der ersten Armeefestung in West-Texas, wurde um 1850 erbaut. Die Bar ist mit Zeugnissen aus dieser Zeit dekoriert — an den Wänden hängen alte Musketen und Karabiner, lange und kurze Bajonette, Säbel und Regimentsflaggen. Die Barkeeper und Kellner scheinen im gleichen Alter wie das Gemäuer zu sein. Allerdings sind die Drinks, die sie servieren, großzügig bemessen und die Gerichte ganz vorzüglich, sofern man darauf abfährt, Feuerbälle zu schlucken.
    Zum Abschluss trank ich draußen, auf der Terrasse, meine Bloody Mary. Die meisten Tische waren von Gästen einer ausgelassenen Hochzeitsfeier belegt. Ich stand auf, ließ die Hochzeitsparty hinter mir und spazierte hinunter zum Ufer des Flusses. Eine dichte Ansammlung aus Trompetenbäumen und Tamarisken dämpfte die romantischen Klänge der Mariachi-Gitarren und das laute Stimmengewirr der Hochzeitsgäste.
    Die an Orchideen erinnernden Blüten der Trompetenbäume tanzten in der leichten Brise, die vom Wasser herüberwehte. Die Blüten sahen aus wie Tausende winziger Glocken, nur ohne Klöppel.
    Ich setzte mich auf den trockenen, harten Untergrund des Ufers. Das hier ist mein Platz in der Welt, dachte ich. Es ist alles, was ich kenne. Liebe bedeutet Verbindung und mit diesem Ort der Heilung fühle ich mich verbunden. Ihm habe ich mein Überleben zu verdanken.
    Meine Wunden waren inzwischen verheilt, zumindest die äußeren. Die im Innern würden noch eine Weile brauchen. Mein Gefühl, mit diesem Ort verbunden zu sein, hatte mit dem Fluss der Zeit zu tun. In den großen, bedeutenden Städten des Nordens steht die Zeit nie still, sie kann es gar nicht. Es gibt keine Momente des Innehaltens, die es erlaubten, dass man eine Verbindung eingeht und Wurzeln schlägt. Im Norden ist die Zeit unermüdlich. Sie bewegt sich in eine Richtung, mit der Entschlossenheit einer motorisierten Armee. Hier nickt sie ein, die Zeit. Wird langsamer. Fließt rückwärts. Bringt sich selbst durcheinander. Mañana, ayer, hoy? Morgen, gestern, heute? Wen interessiert’s? Ahora, der Augenblick, ist alles. Mit einem kleinen Tequila in den Adern kannst du den Widerwillen der Zeit spüren, unbeirrt einer schnurgeraden Linie folgen zu müssen, und du kannst spüren, wie wir auf magische Weise vollkommen in einem unendlichen Moment gefangen sind. Man sollte zu Ehren dieses Gefühls eine Kathedrale errichten. Gemächlich bewegte sich der Fluss auf den Golf von Mexiko zu, seine Wasser wie poliert in der tiefer stehenden Nachmittagssonne. Entlang des gesamten Flussverlaufs, von hier bis nach Brownsville, kämpften Männer und Frauen zu beiden Seiten um ein würdevolles Dasein. Die wirtschaftlichen Kräfte der Welt schienen entschlossen, die Leute an dieser Grenze in verzweifelter Armut zu halten und ihre Umwelt mit Giften zu kontaminieren.
    Und dennoch geschieht Gutes.
    Ich sah einen Kopf mitten im Wasser. Es war ein schöner Kopf, der aus einem aztekischen Relief hätte stammen können. Darum herum, auf der Wasseroberfläche, langes schwarzes Haar, wie ein abgeworfener Schleier. Der Kopf kam langsam auf mich zu, die Lippen bewegten sich.
    Ayúdame , sagten sie. Hilf mir.
    Zu dem Kopf gehörte ein Hals und zu dem Hals gehörten Schultern und die wiederum hatten Arme: Ein Oberkörper, der durch die Fluten auf mich zukam.
    Ihr Gesicht drückte Unbekümmertheit aus, obwohl sie sich den Strömungen des Flusses ausgeliefert hatte, in denen so viele vor ihr den Grund unter den Füßen verloren hatten, untergegangen und ertrunken waren. Es war ein reizendes Gesicht, so voller Gelassenheit gegenüber der Gefahr. Und das zinkgraue Wasser um sie herum wurde blau, als ob sie es durch ihre Gegenwart entgiftete.
    Ayúdame , sagte sie.
    Ich ging zum Uferrand. Wasser floss an ihrem Oberkörper hinunter, perlte ab von ihrem langen schwarzen Haar. Von einem wahren Geistesblitz getroffen, fragte ich: » Usted es una

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