Götterdämmerung in El Paso (German Edition)
Tonqualität war miserabel.
»Verstehe, Carlita«, sagte ein Mann. »Ich weiß, was zu tun ist. Ich wollte dir noch sagen, wie dankbar ich für alles bin, was du bisher für mich getan hast. Dieses Gringoschwein und seine Handlanger schüchtern mich nicht ein.«
Es folgte eine längere Pause, dann sagte die Frau: »Wir müssen vorsichtig sein. Rechne mit dem Schlimmsten, sollten sie uns finden.«
»Ai, Carlita. Ihre Drohungen haben nichts zu bedeuten. Nicht hier. Nicht in Mexiko. En ninguana parte — nirgendwo.«
»Werde nicht leichtsinnig, Hector«, sagte die Frau. »Dein Mut ist bewundernswert, aber Unbesonnenheit wäre ein Fehler.«
Scales steckte den Mini-Rekorder wieder ein. »Wenn Sie das nicht überzeugt, J.P., wie wär’s denn damit: Carla Penrose und ein Hispanic, möglicherweise Hector Martinez, sind heute Morgen zusammen nach Las Vegas geflogen. Wir glauben, dass der Zettel, den sie hinterlassen hat, nur einem Ablenkungsmanöver dienen sollte. Mein Mitarbeiter hat beobachtet, wie sie an Bord einer Delta Airlines, Flug 3901, gegangen sind.«
Luther stöhnte auf. »Gottverdammt«, sagte er, »ich habe dieser Frau die besten Jahre meines Lebens gewidmet. Und das ist der Dank dafür? Ein Hurensohn, der sich zwischen uns drängt und sie Carlita nennt? Was soll dieser Carlita-Mist? Ihr Name ist Carla, nicht dieses verschissene Car-liii-ta!«
»Es ist eine Koseform«, sagte Scales.
»Ich weiß, was es ist, Herrgott noch mal. Und ich — soll ich etwa das Gringoschwein sein, von dem in ihrem kleinen Dialog die Rede gewesen ist?«
Scales legte Luther eine Hand auf die Schulter. »Ich weiß, was Sie gerade durchmachen, Mr. Penrose«, sagte er. »Aber wenn erst einmal alle Karten offen auf dem Tisch liegen, werden Sie auch wieder ein normales Leben führen können.«
»Ich habe sie geliebt«, jammerte Luther. »Ich liebe sie noch immer. Ich habe nie jemand anderen geliebt als sie.«
»Das ist eine noble Haltung, Mr. Penrose«, sagte Scales. »Sie zeugt von tiefer Anständigkeit. Sie haben etwas Besseres verdient als dieses verworfene Handeln.«
»Ich kann auch vergeben«, sagte Luther und sah Scales erwartungsvoll an. Er war einfach schamlos.
Scales reagierte nicht darauf. »Man muss ein großer Mann sein, um vergeben zu können«, sagte er einen Augenblick zu spät.
Luther, noch ganz der verletzte, doch zu allem entschlossene Märtyrer, nippte an seinem Bier. »Ich kann vergeben, aber nicht vergessen«, sagte er. »So eine Wunde heilt nicht von heut auf morgen. Das ist nicht nur ein kleiner Stich.«
»Nein, so etwas geht tiefer«, sagte Scales. »Es trifft das Herz. Ich habe das ganze Spektrum menschlichen Verhaltens gesehen, Mr. Penrose. Wenn ich sage, ich fühle Ihren Schmerz, dann ist das mehr als nur höfliche Konversation.«
»Ich war 1991 bei der Operation Desert Storm dabei und bin unversehrt zurückgekommen«, sagte Luther mit leiser Würde. Er betrachtete seine Handflächen. »Und jetzt sehen Sie mich an. Ich blute. Ich sterbe.«
»Wir werden unser Bestes geben, um den Heilungsprozess einzuleiten, Mr. Penrose«, sagte Scales. »Sie haben ein Anrecht auf einen schnellen Abschluss in dieser Sache.«
»Ich brauche frische Luft«, sagte ich. Ich ging in die Küche und öffnete die Türen zum Wintergarten.
Eine kleine grüne Eidechse blickte vom Fliesenboden zu mir hoch. Es war, als sähen mich ihre schwarzen Augen fragend an.
»Frag mich nicht«, sagte ich.
5
»Er ist Abschaum, Luther«, sagte ich. Nachdem Scales sich verabschiedet hatte, waren mir einige Details zu seiner »Truppe« und ihrem Ruf eingefallen.
»Tatsächlich?«, erwiderte Luther. »Seine Firma ist seit zwanzig Jahren im Geschäft. Sie haben Fälle gelöst, die für die Polizei nicht lösbar waren. Den größten Detektiv seit Sherlock Holmes kann eine derartige Aufklärungsquote natürlich nicht beeindrucken. Für jemand Gottgleiches wie dich ist Scales nur Abschaum. Entschuldige, wenn ich zu Ehren deiner fachmännischen Meinung ein wenig die Erderwärmung beschleunigendes Methan ablasse.«
Er hob den Hintern an und entließ trompetend einen Furz.
»Dieser Typ macht sich den Abfall zunutze, Luther. Er kramt ungeklärte Fälle hervor, um im Nachhinein einen Rechtsstreit anzustrengen. Mitunter erst Jahre später machen sie eine geschädigte Partei ausfindig, schaffen genügend Beweise herbei und überzeugen die Geschädigten, als Klagepartei Schadenersatz für eher Nebensächliches zu fordern. Wie im Falle dieser Frau,
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