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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis
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suchen. Hin und wieder gestalten sie Mandalas aus Sand, die der Universität Glück bringen sollen. In einer feierlichen Zeremonie nimmt ein Mönch den Sand eines Mandalas auf und streut ihn in den Rio Grande, um das Wasser zu segnen und von Verunreinigungen zu befreien. Gut möglich, dass es eines Tages dazu kommt, aber bis jetzt hat noch niemand die Universität wegen Missachtung der in der Verfassung verankerten Trennung von Kirche und Staat verklagt.
    Der Mönch sah mich und lächelte. »Und? Wie ist Ihr Tag bisher verlaufen?«, fragte er, als würde ihn das tatsächlich interessieren.
    »Den Zeh habe ich mir noch nicht gestoßen«, erwiderte ich.
    Er lachte gutmütig. »Nun, der Tag ist noch jung, nicht wahr?«

7
    Ich war schon fast zu Hause, als Luthers Packard neben mir auftauchte und hielt. Luther kurbelte das Seitenfenster herunter. »Steig ein«, sagte er.
    »Was verschlägt dich in diese billige Wohngegend, Luther?«
    »Ich suche dich wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen«, sagte er. »Bevor sie verschwunden ist, hat sie Geld von unserem gemeinsamen Konto abgehoben. Scales hat mir gesagt, dass sie die Flugtickets bar bezahlt hat.«
    »Carla?«
    »Nein. Königin Elizabeth II. Wer zum Henker glaubst du wohl?«
    »Hat sie sich gemeldet?«
    »Nein.«
    Ich stieg in den Wagen. Luther sah aus, als hätte er überhaupt nicht geschlafen und sich ausschließlich von Kaffee und Amphetaminen ernährt. Er schien zu zittern — immer mal wieder wurde er von unkontrollierten Zuckungen erfasst. Er hatte sich nicht rasiert und seine Kleidung war bekleckert. Obendrein stank er nach Bier und Gebratenem. Carla war schon keine große Köchin, aber alles, was Luther zu seiner Ernährung beitragen konnte, war das Braten von Club-Steaks in einer Pfanne mit heißem Fett.
    »Ich möchte, dass du nach Las Vegas fliegst, J.P.«, sagte er. »Finde sie und rede mit ihr. Sie hat dich immer gemocht. Vielleicht kannst du sie überzeugen, nach Hause zu kommen. Erzähl ihr, wie zerknirscht ich bin. Dir hört sie zu.«
    »Was ist mit Scales & Partner?«, fragte ich. »Womöglich haben die bereits Wanzen und Mini-Kameras in ihrem Hotelzimmer installiert. Das wolltest du doch, oder? Handfeste Beweise für eine Scheidung.«
    »Ich will sie nicht verlieren«, sagte er niedergeschlagen. »Ich brauche sie, richte ihr aus, dass ich ihr alles vergebe. Erinnere sie daran, dass ich Katholik bin und somit ein Experte, was Abbitte betrifft. Sie hat ihr Techtelmechtel gehabt, aber ich bin verdammt noch mal ihr Ehemann! Das bedeutet doch schließlich etwas, oder nicht? Die Tatsache, dass es mir gelingt, mich derart zu erniedrigen und ihr zu vergeben, sollte sie zur Vernunft bringen, meinst du nicht?«
    Vielleicht bringt diese Sache mit Hector Martinez Carla zur Vernunft, ging es mir durch den Kopf, aber ich sprach es nicht aus.
    Luther hielt vor meinem Apartmenthaus. Er holte seine Brieftasche hervor und gab mir sein gesamtes Bargeld. »Hier, das sind etwa zweitausend. Wenn du mehr brauchst, schick ich dir was. Tu, was notwendig ist, J.P. Entführe sie, wenn’s sein muss. Wenn du sie überreden kannst, nach Hause zu kommen, gebe ich dir fünf Riesen als Bonus.«
    »Zuerst solltest du Scales und seine Leute von dem Fall abziehen.«
    »Das mache ich. Gleich morgen, als Erstes.«
    »Haben die herausgefunden, in welchem Hotel sie ist?«
    »Im Riviera, Zimmer 821.« Er sah mich an, einen Hoffnungsschimmer in den Augen. »Sie haben getrennte Zimmer. Martinez hat Zimmer 823.«
    Getrennt, aber nebeneinander, dachte ich. »Zuerst muss ich noch etwas wissen«, sagte ich.
    Er runzelte die Stirn und wich meinem Blick aus. »Was?«
    »Ich will genau wissen, was du anstellen musstest, damit sie abhaut.«
    »Ich bin keiner, der seine Ehefrau verprügelt, falls du das meinst.«
    »Irgendwas ist zwischen euch vorgefallen, Luther.«
    Resigniert ließ er sich in seinem breiten Mohairsitz nach hinten fallen. »Vielleicht gab es da etwas«, sagte er, so leise, dass es kaum zu verstehen war. »Ich wusste bereits von diesem Arschloch, diesem Martinez, bevor Scales ihn ermittelt hat. Ich meine, ich habe gewusst, dass sie sich regelmäßig mit jemandem trifft. Seinen Namen kannte ich nicht. Ich habe die beiden im Paradise-Café gesehen. Die Köpfe zusammengesteckt, so vertraut miteinander über ihren Piña Coladas. Das ist ein paar Monate her. Ich habe einen Riesenaufstand deswegen gemacht, aber sie hat darauf beharrt, dass der Typ ein Doktorand sei und sie sich nur

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