Götterdämmerung in El Paso (German Edition)
über die Probleme an der Grenze unterhalten hätten. Gottverdammt, was gehen mir diese Grenzprobleme auf den Sack! Ich wollte ihr ja glauben. Aber es waren doch nur dumme Ausreden. Möglich, dass es ganz harmlos angefangen hat, aber es spricht einiges dafür, dass ihre kleinen Treffen zum Thema Grenzprobleme jetzt von anderer Qualität sind.«
»Das ist alles?«
»Ist das nicht genug? Himmel noch mal, was brauchst du denn noch? Willst du von mir hören, dass sie nicht mehr mit mir schläft?«
»Tut sie das?«
»Fahr zur Hölle.«
»Eins sollte dir klar sein, Luther«, sagte ich.
»Was?«
»Ich werde sie nicht entführen.«
Er sah mich mit gequältem Blick an. Aus den Qualen wurde Sorge und am Ende Angst. Luthers Unterlippe begann zu zittern. »Da ist noch etwas«, sagte er.
»Ah, das Beste kommt immer zum Schluss, nicht wahr?«
Er überging die Stichelei. »Ich bin paranoid, wie du weißt, und von Zeit zu Zeit ein wenig schizoid, richtig? Und dann diese bipolare Störung … «
»Ich habe dich das eine oder andere Mal im Clinch mit deinen Dämonen erlebt, Luther.«
»Vielleicht bin ich gerade paranoid. Ich weiß es nicht. Aber vor meinem Haus lungern ein paar Brutalos Marke Extrabreit rum, in einem Auto. Als ich losgefahren bin, habe ich sie entdeckt. Sie fahren einen Mietwagen. Keine Ahnung, wer die sind, aber ich habe richtig Manschetten, nach Hause zu gehen.«
»Vielleicht Touristen, die sich verfahren haben und sich fragen, wie sie nach Alamo kommen.«
»Wie Touristen kamen sie mir nicht vor — eher wie Schläger vom Klan, die ganz alte Schule. Ich konnte die Maisgrütze und den Schweinenacken förmlich riechen.«
»Es gibt hier kein Chapter des Klans«, sagte ich. »Nicht mehr seit den Zwanzigerjahren.«
Die Chance, dass der Klan in El Paso einfällt, um Unruhe zu stiften, hatte durchaus bestanden, nachdem die Universität 1966 mit einem schwarzen Team die NCAA-Basketball-Meisterschaft gewonnen hatte, wodurch eine Menge weißer Fans im Süden in Harnisch geraten waren. Aber dazu war es nicht gekommen.
»Die Typen haben einfach nur im Auto gehockt«, sagte Luther. »Stur geradeaus geschaut, als hätten sie jede Menge Zeit totzuschlagen.«
»Falls sie noch da sind, wenn du nach Hause kommst, ruf mich an. Ich nehme sie unter die Lupe.«
Das schien ihn ein wenig zu beruhigen. Er hörte auf zu zittern, doch sein Teint war unnatürlich wächsern. Luther war überzeugt, sich die sogenannte Golfkriegskrankheit — Nachtschweiß, Müdigkeit, Gelenkschmerzen — eingefangen und sie mit nach Hause gebracht zu haben. Es sah so aus, als hätte er einen Rückfall. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen und er war blasser denn je.
»Carla mag von mir aus eine Affäre mit Hector Martinez haben«, sagte ich, »aber ich denke, da spielt sich noch etwas anderes ab. Sie steckt in irgendwelchen Schwierigkeiten. Deshalb mache ich das. Ich will nicht, dass sie mit dem Gesetz in Konflikt gerät.«
»Schuld ist nur ihre verdammte linke Politik!«, rief Luther. »Sie hat ziemlich vielen Leuten auf beiden Seiten des Flusses vors Schienbein getreten. Der mexikanischen Polizei, den Schleusern, der INS — und nichts kann sie stoppen.«
Er fing an, das Lenkrad mit seinen Fäusten zu bearbeiten. Seine Augen blickten ins Leere und er wackelte mit dem Kopf, als wollte er das Chaos darin ordnen.
»Fahr nach Hause«, sagte ich. »Nimm deine Medikamente. Ich werde das eine oder andere für dich herausfinden.«
8
Als er zu Hause war, rief Luther mich an. Der Wagen vor seinem Haus war verschwunden, ganz im Gegensatz zu seiner Paranoia. »Mach dich locker, Luther. Nimm eine Prozac, rauch einen Joint. Ich melde mich morgen bei dir.«
»Für dich ist alles so einfach«, sagte er sarkastisch.
»Einige von uns sind eben gesegnet«, erwiderte ich.
Am nächsten Morgen flog ich nach Las Vegas, ein Flug von zwei Stunden. Ich mietete einen Wagen bei McCarran und fuhr zum Strip. Die irreale Schönheit an der Oberfläche von Las Vegas vermittelte das Gefühl, umjubelter Darsteller in einem außergewöhnlichen Schauspiel zu sein. Ob bewusst oder unbewusst — die Stadt war darauf abgestimmt, genau diesen Effekt zu erzielen. Man glaubte plötzlich an einen Neuanfang und an ein Happy End. Jedenfalls betrachtete man sich nicht als der Trottel, der zu werden, man im Begriff war.
Ich nahm mir ein Zimmer in der neunten Etage des Riviera. Mein Fenster ging auf den Las Vegas Boulevard hinaus, eine lange Prachtstraße, wo prunkvolle Bauten
Weitere Kostenlose Bücher