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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis
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grinste und gab die Botschaft wortwörtlich weiter. Sicherlich hatte er selten die Möglichkeit, seinem Boss zu sagen, er möge sich einen Schirm hinten reinschieben und auf Wind warten.
    Er klappte sein Telefon zusammen und steckte es weg. »Mr. Scales rät Ihnen, endlich erwachsen zu werden.« Das Fenster rollte wieder hoch.
    Ich ging zur Eingangstür des Trailers und klopfte. An der Tür hing ein Schild: Werbung und Vertreterbesuche unerwünscht. Ein hinfällig wirkender Mann Ende fünfzig öffnete. Er trug einen lachsfarbenen Anzug mit breiten Revers, weiße Schuhe mit goldenen Schnallen und eine getönte Pilotenbrille. Sein Haar war pechschwarz gefärbt, was den Eindruck verstärkte, man habe es hier mit einem Todgeweihten zu tun. Die buschigen Koteletten hätten bis zum Kinn gereicht, so der Mann eines gehabt hätte. Seine Nase leuchtete violett und war durchzogen von einer Verästelung geplatzter Äderchen; dazu hatte er einen Bauch, derart geschwollen, dass die Vermutung nahelag, dort drinnen niste ein Tumor von rund vierzig Pfund. So hätte Elvis ausgesehen, wäre er zehn Jahre länger am Leben und zudem bei Speed und Bourbon geblieben. »Was gibt es?«, fragte der Typ verärgert. »Ich kaufe nichts.«
    »Und ich verkaufe nichts, Sir. Ich hätte nur gern ein paar Worte mit Mrs. Penrose gewechselt.«
    Der todgeweihte Elvis warf einen Blick über seine Schulter. »Kennst du diesen Mann?«, fragte er.
    Carla erschien an der Tür. »Mein Gott, was machst du hier, J.P.?«
    »Ich suche nach dir.«
    »Luther hat dich geschickt.«
    »So ist es. Er ist krank vor Sorge.«
    »Luther sorgt sich nur um Luther«, sagte sie.
    Sie trug eine saloppe braune Hose, dazu eine ärmellose Bluse in Rosa. Ihr kurzes braunes Haar war an manchen Stellen von der Sonne bernsteinfarben gebleicht. Auf dem Rücken ihrer prägnanten Nase tummelten sich Sommersprossen. Doch Carlas ausdrucksstärkstes Merkmal waren ihre Augen — Augen von einem dunkleren Grau, die ihre Farbe je nach Wetterlage änderten. Manchmal waren sie grau wie der Ozean bei Sturm, so intensiv, dass man meinte, darin ertrinken zu müssen, wenn man ihrem Blick länger standhielt.
    Im Moment waren sie stahlgrau vor Zorn, in den sich vielleicht auch ein wenig Angst gestohlen hatte.
    Sie sah an mir vorbei. »Wer ist dein Freund in dem Taxi?«
    »Das ist Bluto. Er ist nicht mein Freund. Den hat Luther angeheuert. So besorgt ist er, dass er bereits drittklassige Schnüffler in die Spur schickt.«
    »Ich will keinen von euch hier haben. Geh bitte, und sag dem Mann, dass er ebenfalls verschwinden soll. Ich kann nicht glauben, dass Luther so etwas macht.«
    »Luther denkt, dass du eine Affäre hast mit Hector Martinez«, sagte ich. »Er denkt auch an Scheidung. Der Typ im Taxi hat Fotos gemacht, von dir und Hector, als Beweis.«
    »Oh, mein Gott«, stieß sie hervor.
    »Ich bin gekommen, weil ich dich bitten möchte, die Sache mit Hector zu beenden und zu Luther zurückzugehen. Er will nicht wirklich eine Scheidung. Er will dich.«
    »Er weiß nicht, was er will. Luther will einfach nur.«
    »Ihm scheint es ernst zu sein, Carla.«
    »Ernst! Was für ein Scheiß! Verdammt noch mal, ihr ruiniert alles! Jeder von euch!«
    Sie drehte sich um und sah Hector Martinez an, der hinten im Zimmer auf einem Sofa saß und alles verfolgte. Er war ein großer, gut aussehender junger Mann. Ein Indio mit der breiten Nase der Maya, ausgeprägten Wangenknochen und kräftigen Augenwülsten. Er machte einen angespannten, wenn nicht sogar verschreckten Eindruck. Elvis, der Todgeweihte, sagte etwas zu ihm, doch Hectors Aufmerksamkeit galt Carla und mir. Er stand auf, kam zu uns und stellte sich neben Carla. Wären sie ein Liebespaar gewesen, hätte er sie berührt — ihre Schulter oder ihren Ellbogen, er hätte ihr demonstrativ einen Arm um die Taille geschlungen. Doch Hector Martinez gestattete sich keine derart besitzergreifende Geste. Er sah aus wie ein nervöses Kind, das nie irgendetwas besessen hatte.
    »Was ist los?«, fragte er. »Heißt das, wir müssen die Operation abblasen?«
    »Ruhig, Hector«, sagte Carla. Und zu mir sagte sie: »Ich will, dass ihr, du und dieser Paparazzo im Taxi, schnellstens verschwindet.«
    Ich gab ihr mein Mobiltelefon. »Sag’s Luther. Er zahlt die Rechnungen.«
    Sie drückte die Nummer. Sie ließ Luther keine Möglichkeit, zu Wort zu kommen. »Pfeif deine Hunde zurück, Luther«, sagte sie. » Ich bin in ein paar Tagen wieder zu Hause. Dann werde ich alles

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