Götterdämmerung in El Paso (German Edition)
Flugsteige, verlor meinen Kasinogewinn, verfluchte die zickige Schlampe und ging an Bord einer nicht mehr ganz taufrischen Boeing 737 in der Hoffnung, das Glück möge für die Lufttüchtigkeit älterer Maschinen keine Rolle spielen.
11
Kurz vor dem Aufsetzen machte ein fieser Scherwind aus dem Flieger einen Papierdrachen. Die Maschine setzte mit dem linken Teil des Fahrwerks auf, brach ein wenig aus, hüpfte und befand sich wieder in der Luft. Als der rechte Teil kurz darauf krachend die Landebahn berührte, schüttelte es die Kabine mächtig durch.
»Scheiße«, sagte ich.
Die ältere Dame neben mir war kalkweiß geworden. »Huch!«, stieß sie hervor. »Was war das?« Ihre kastanienbraune Perücke war ihr in die Stirn gerutscht. Das Haar einer Zwanzigjährigen auf dem Kopf einer Siebzigjährigen. Unterhaltsam, aber nicht sonderlich attraktiv.
»El Paso« sagte ich. »Wir haben hier eine Menge merkwürdiger Winde.«
»Das sollte man im Griff haben«, sagte sie.
Was im Griff haben? Den Wind? Ihre Perücke? Ich ging dem nicht weiter nach. Als wir alle nacheinander ausstiegen, hatte jeder von uns ein wenig weiche Knie.
»Nette Landung«, sagte ich zu dem Piloten, als ich von Bord ging.
»Immerhin sind Sie unten, oder?«, gab er zurück. Es klang, als wolle er sich verteidigen.
Mir fiel ein unter Piloten kursierender Spruch ein: Jede Landung, nach der man die Maschine zu Fuß verlassen kann, ist eine gute Landung. »Meine Güte, Captain«, sagte ich, »das sollte ein Kompliment sein.«
Ich holte meinen Wagen vom Parkplatz für Dauerparker, zahlte die Gebühr, fuhr auf die Interstate 10 und weiter Richtung El Paso. Es war kurz vor Einbruch der Dunkelheit und auf der anderen Seite des Flusses funkelten die Lichter von Juárez in giftigem Orange. Ein Muster blauer Lichter inmitten des Orange markierte ausländische Fabriken, die maquilas, die ihre Schadstoffe nicht nur in den Fluss leiten, sondern auch die Luft verpesten, die sich El Paso und Juárez teilen. Könnte man die orangefarbenen und blauen Lichter losgelöst von Armut und Gift betrachten, wären sie ein zauberhafter Anblick.
Der böige Wind kam von Westen. Als mein alter Monte Carlo die Hügel von Sunset Heights hochrumpelte, konnte man bereits von Sturmböen sprechen. Zwischen meinen Zähnen knirschte es, der feine Sand der Wüste.
In meiner Küche dösten ein Dutzend Kakerlaken, nachdem sie sich an mikroskopisch kleinen Toastkrümeln und anderen Abfällen meiner Bas Cuisine dumm und dämlich gefressen hatten. Sie hatten sturmfreie Bude gehabt und sich sicher gefühlt. Ich stampfte mit dem Fuß auf — meine Art, ihnen zu sagen, sie sollten sich zurück in ihre Löcher begeben — und nach einem Moment kopfloser Panik, taten sie es.
Kakerlaken in Panik erinnern an panische Menschen. Sie verlieren den Überblick, rennen sich über den Haufen, neigen zu selbstmörderischen Aktionen wie Sprüngen von Küchentresen und anderen höher gelegenen Plätzen, suchen Schutz hinter Stuhlbeinen und präsentieren ihre spröden Hinterteile, als warteten sie nur darauf, zertreten zu werden. Lächerliche Geschöpfe, in der Tat, doch sie werden die Welt bevölkern, lange nachdem wir verschwunden sind. Einer von Gottes kleinen Scherzen. Der Planet wird den Kakerlaken gehören, aber sie werden nichts damit anzufangen wissen. Man muss diese kleinen Schisser einfach lieb haben.
Ich stellte ein tiefgekühltes Fertiggericht in die Mikrowelle — irgendwas mit Kalbskotelett — und machte mir eine Bloody Mary. Drei Teile Tequila, ein Teil V8, Tabasco für den Pep, ein wenig Zitronensaft.
Ich hatte nur wenig von Luthers Geld verbraucht. Den größten Teil konnte ich ihm zurückgeben, nur nicht heute Abend. Morgen würde ich versuchen, ihm klarzumachen, dass er völlig auf dem falschen Dampfer war und keine Privatdetektive brauchte, die Carla auf Schritt und Tritt verfolgten. Ich hatte keine Ahnung, weshalb sie sich mit Hector Martinez in diesem Trailerpark südlich von Las Vegas aufhielt oder wer der todgeweihte Elvis war, aber ihre Absichten schienen nicht sexueller Natur zu sein. Carla war eine Polit-Aktivistin. Wenn Luther so versessen darauf war, sich Sorgen zu machen, dann konnte er seine paranoide Phantasie auf die Folgen konzentrieren, die jedes von Carlas selbstlosen Engagements mit sich brachte. Bereits früher hatte sie mit der INS die Klingen gekreuzt oder sich Feinde auf der anderen Seite der Grenze gemacht. Die Staatspolizei von Chihuahua hatte sie
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