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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis
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festgenommen, nachdem sie eine Demonstration organisiert hatte gegen die Haftbedingungen im Cereso, dem berüchtigten Gefängnis von Juárez. Wie Jane Fonda und Sally Field hatte sie sich mit Tausenden an einem Protestmarsch von Amnesty International beteiligt, der sich gegen die unaufgeklärten Serienmorde der letzten zehn Jahre, begangen an Hunderten junger Frauen aus Juárez, gerichtet hatte. Es gab eine Reihe von Gründen, weshalb sich ein Ehemann Sorgen um eine Ehefrau wie Carla machen konnte, ein zweifelhafter Lebenswandel jedoch sollte am unteren Ende der Liste stehen.
    Nach dem Essen trank ich noch zwei Bloody Marys, hörte ein wenig klassischen Jazz im Radio und ging relativ frühzeitig zu Bett. Ein alter, übler Traum suchte mich heim: Kat packt ihre Sachen, während ich betrunken auf dem Bett liege, überzeugt davon, dass sie nur eine Show abzieht, um sich am Ende durchzusetzen. »Ich weiß, dass du nicht abhaust«, sage ich. Wie zum Beweis halte ich die Zeitung hoch. »Gleich auf der ersten Seite steht, dass alle Flüge nach Chicago gestrichen sind, solange der Krieg dauert.« Sie packt dennoch weiter. »Es gibt immer eine Alternative«, sagt sie. Ich verfolge, wie sie weggeht, bis sie nur noch ein Fleck am Horizont ist. An diesem Punkt meines Traums verändert sich die Schlagzeile und lautet nun: ALLE FLÜGE GESTRICHEN — ABER ES GIBT IMMER EINE ALTERNATIVE. In fetten schwarzen Lettern scheint die Wahrheit unausweichlich: Absolute Sicherheit gibt es nicht. Aus diesem Traum erwache ich stets mit einem wehmütigen Verlangen nach Geborgenheit und ich rufe: »Katherine, Katherine«, als ob mir diese in Verlust geratenen Silben eine Welt ohne Alternativen zurückbringen könnten, auf dass sie für immer und ewig bei mir bliebe.
    Ich erwachte, dachte jedoch nicht an Kat, sondern an den irakischen Rekruten. Die Wehmut angesichts des Verlustes von Kat ließ Kuwait, 1991, wiederauferstehen, etwas, was ich gerade jetzt nicht vor Augen haben wollte. Er hätte die verdammte Kalaschnikow fallen lassen sollen. Doch die Rechtfertigung konnte das ungute Gefühl nicht verdrängen. Seine Augen waren das Problem. Die Politiker, die diese Kriege anzetteln und rechtfertigen, müssen niemals in die Augen der Menschen blicken, die sie in Vertretung töten lassen.
    Am nächsten Morgen rief ich Luther an. »Deine Sorgen sind unbegründet«, sagte ich. »Vorausgesetzt, mein Gespür lässt mich nicht völlig im Stich, kann ich nur sagen, die Beziehung zwischen Carla und Hector Martinez hat mit Politik zu tun, nicht mit Sex.«
    Er erwiderte nichts darauf, ich hörte ihn lediglich atmen. »Alles in Ordnung mit dir, Luther?«
    »Nein«, sagte er mit einem Zittern in der Stimme. »Nichts ist in Ordnung. Vor einer Stunde sind sie gegangen. Die Typen, die schon mal hier waren.«
    »Wer?«
    »Ihr Wagen stand vor dem Haus. Ich hab dir doch von ihnen erzählt, verdammt noch mal.«
    »Die Schläger vom Klan?«
    »Die sind nicht vom Klan. Das sind Kopfgeldjäger oder so. Profis in Overalls und Nagelschuhen. Sie haben die Scheiße aus mir herausgeprügelt.«
    »Haben Sie gesagt, warum?«
    »Was glaubst du wohl, Himmelherrgott noch mal?« Er ließ das Telefon fallen. Als er es wieder in der Hand hatte, sprach er zuerst in das falsche Ende. Er drehte das Telefon um. »Sie wollten wissen, wo Carla ist. Keine Ahnung, habe ich gesagt. Ich habe sie gefragt, was Kopfgeldjäger mit meiner Frau zu schaffen haben. Da sind sie völlig ausgerastet. Ich hab so viel eingesteckt von ihnen, J.P., bin nicht eingeknickt … «
    »Nun«, sagte ich, »das kann ich mir vorstellen.«
    »… bis sie mir Benzin über den Schädel gegossen haben und meinten, ich hätte noch einen Versuch, bevor sie das Streichholz anzünden. Ich habe kapituliert, ich konnte nicht mehr. Ich habe ihnen gesagt, dass sie in Vegas ist, im Riviera — « Seine Stimme versagte ihm den Dienst. Er schluckte. »Ich bin so ein Feigling, J.P. Ich bin ein mieser Feigling. Ich habe sie nicht verdient.«
    »Du bist kein Feigling. Du hast durchgehalten, solange es ging. Jeder stößt irgendwann an seine Grenzen. Hast du Carla gewarnt?«
    »Ich hab sie angerufen, aber sie hatte schon ausgecheckt.«
    »Ich komme rüber.«
    »Ich hab meinen Kopf unter den Wasserhahn gehalten«, sagte er, »aber es riecht immer noch nach Benzin.«
    »Zünd jetzt bloß keinen Joint an, Luther.«

12
    Luther hatte sich das Blut noch nicht vom Gesicht gewaschen und gab so die Spuren der bezogenen Abreibung zur

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