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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis
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legal, eine tödliche Waffe zur Verteidigung seines Hauses einzusetzen. Das ist eine halbautomatische Mossberg mit einem nicht vorschriftsmäßigen Lauf, aber sollte sie überhaupt zum Gebrauch kommen, wird dir die Geldstrafe egal sein. Für dieses Teil muss man kein guter Schütze sein, man drückt einfach nur ab. Du hast fünf Schüsse. Wenn nötig, kannst du nachladen.«
    »Wie der Zufall es will, bin ich ein exzellenter Schütze«, sagte er. »In der Grundausbildung wurde mir eine Schützenmedaille verliehen.«
    »Prima. Auf diese Weise sparst du Munition.«
    Nichts von alldem vermochte seine Stimmung zu heben. Er stöhnte — es war ein regelrechtes Dröhnen der Hoffnungslosigkeit tief aus seinem Innern. »Scheiße, J.P., meinen Gemütszustand wird das keinesfalls positiv beeinflussen. Mir ist nur noch das Schreiben geblieben, jetzt, wo Carla mich verlassen hat. Es bedeutet mir alles. Das hier stört nur den kreativen Prozess. Ich will deinen beschissenen Bleistreuer nicht.«
    »Lieber trittst du diesen Jungs ohne entsprechende Unterstützung entgegen? Du bildest dir ein, das Problem erübrigt sich, wenn man es verdrängt? Und noch mal fürs Protokoll: Ich glaube nicht, dass Carla dich verlassen hat. Sie nimmt ihre Aufgabe genauso ernst wie du deine. Oder siehst du das anders? Vielleicht bist du ja der Ansicht, dass die Arbeit deiner Frau verglichen mit dem Schaffen des großen literarischen Meisters banal ist.«
    Er probierte es mit seinem Starren. Doch in meinem Falle zog es nicht. »Wenn sie mich nicht verlassen hat, wo zum Teufel steckt sie dann?« Er fing an zu zittern und verschränkte die Arme vor der Brust, um es zu unterdrücken.
    »Mach dich nicht lustig über mich«, sagte er kleinlaut. »Ich bitte dich nur, meine Lage zu verstehen. Es ist eine Frage des Gleichgewichts, verdammt noch mal. Ich verliere es.«
    Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter und spürte eine tiefsitzende Instabilität, ein inneres Eiern, wie bei einem Kreisel, der dabei ist, an Schwung zu verlieren und zur Seite zu kippen. Ich bekam ein schlechtes Gewissen. Ich hätte ihm nicht so zusetzen dürfen, nicht in dem Zustand, in dem er sich befand.
    »Das geht vorbei, Luther«, sagte ich. »Du darfst jetzt nicht schlappmachen. Ich versuche, so viel wie möglich über Carlas Hector-Martinez-Projekt herauszufinden. Du hältst in der Zwischenzeit den Ball flach und sieh zu, dass die Waffe immer griffbereit ist.«
    Ich fuhr die Mesa hoch, dann durch die palmengesäumten Straßen von Kern Place und begleitete Luther ins Haus. Drinnen roch es nach Benzin und gebratenem Fleisch. Ich riss einige Fenster auf. Zwar stürmte es noch, aber das bisschen Sand konnte keinen Schaden anrichten. Luther war im Badezimmer verschwunden und als er wieder herauskam, hatte er ein Röhrchen Tabletten in der Hand. Er nahm sich nicht die Zeit, ein Glas Wasser zum Herunterspülen zu holen, sondern warf sofort drei oder vier von den blauen Pillen ein. Dann ging er in die Küche und kam mit einem Sechserpack Pacifico zurück. Er stellte ihn neben seinen Sessel.
    »Keine gute Idee, diese Mischung verschiedener Substanzen, Luther«, sagte ich.
    Er beachtete mich nicht, ging zu seiner Stereoanlage und legte eine Platte auf, eine Symphonie von Alexander Skrjabin. Atonale Klänge tasteten sich vor, schwollen langsam an mit der Geschwindigkeit einer Pflanze, die ihren Blütenkelch öffnet. Sonderbar, wenn nicht sogar unheimlich. Luther zog sich in seinen großen Sessel zurück, holte seine Utensilien hervor und stopfte jede Menge Gras in eine Zigarettenhülse, dabei verstreute er einiges. Er begutachtete das Ergebnis, zündete den Joint jedoch nicht an, sondern legte ihn auf die Armlehne.
    »Du liebst es geradezu, dich über mich lustig zu machen«, sagte er und öffnete eine Dose Bier. »Dieser russische Wahnsinnige hier, Skrjabin, war überzeugt, seine Musik sei so übernatürlich schön, dass sie die menschliche Rasse verändern könne. Mein Gott, J.P., hast du jemals von jemandem gehört, dessen Ego so riesig ist? Er glaubte, die von ihm erschaffenen Klänge könnten eine neue Rasse von Übermenschen hervorbringen, die sich nur dem Frieden und der Schönheit widmen würde!«
    Luther lachte so heftig, dass sein Sessel selbstständig nach hinten, in die Liegeposition klappte, und dabei wurden tatsächlich nur wenige Tropfen Bier verspritzt. »Eine neue Rasse!«, rief er, verschluckte sich und fing an zu husten. »Die bis ins Mark verkommene menschliche Rasse

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