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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis
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sie dir nicht viel nützen, wenn diese Deppen von Kopfgeldjägern deine Tür eintreten«, sagte ich.
    »Wieso sollten sie das tun? Ich habe ihnen gesagt, was sie wissen wollten. Ich kann doch nichts dafür, dass ich keine Ahnung habe, wo meine Frau steckt. Wahrscheinlich ist sie in Juárez oder weiter südlich und tauscht mit Hector Martinez und seinem politisch unterdrückten Anhang Körperflüssigkeiten aus.«
    Ich hatte es satt, ihm zu sagen, wie sehr er danebenlag. Er glaubte, was er glauben wollte. Ich stritt mich nicht mit ihm. Es hätte die Sache wesentlich vereinfacht, wäre er im Recht gewesen. Ich dachte an meine nachmittägliche Eskapade mit Dani Thrailkill. Ich dachte an ihren Ex, Raymond — einen anständigen Cop, der wahrscheinlich noch immer viel für sie empfand. Wir bildeten ein unbedeutendes Dreieck innerhalb der größeren Geometrie der Welt. Carla hingegen war in etwas verstrickt, was verfänglicher war als ein ausgiebiges Schäferstündchen mit einem Liebhaber. Etwas wesentlich Gefährlicheres.
    Im Hintergrund donnerten Töne aus Das Rheingold. Gretchen, die Katze, jaulte.
    »Hast du Gretchen gefüttert?«, fragte ich.
    »Was?«
    »Deine Katze. Gretchen. Hast du dich um sie gekümmert? Du weißt schon — Wasser, Futter und Katzenklo.«
    »Na klar«, sagte er.
    »Sonderlich klar klingst du nicht, Luther. Hörst du etwa Stimmen?«
    »Nur deine und die von deiner Schrotflinte. Schaff das Teil hier weg! Selbst wenn ich Wagner voll aufdrehe, höre ich, wie sie mir zuflüstert.«
    »Hast du etwas Stärkeres als Elavil im Haus?«
    »Ich nehme kein gottverdammtes Thorazine, falls du das meinst. Mit dem Gift bin ich durch. Mir entgleisen die Gesichtszüge. Ich habe meine Zunge nicht unter Kontrolle. Und ich kriege keinen mehr hoch, wenn mir dieser Mist durchs Hirn schießt. Wahrscheinlich werde ich nie wieder jemanden flachlegen, aber es ist eine angenehme Vorstellung, dass ich könnte, wenn sich die Gelegenheit böte.«
    »Was ist mit Haldol? Davon hast du doch was da, oder?«
    »Haldol ist noch verheerender. Außerdem bedeutet es keine Tragödie, verrückt zu sein. Skrjabin war verrückt, Nietzsche war verrückt. Ich glaube, dass mehr als nur ein paar Präsidenten der Vereinigten Staaten verrückt waren oder unter Drogen und Alkohol standen. Heutzutage würde man die Hälfte der Genies des neunzehnten Jahrhunderts ins Irrenhaus stecken und mit Tranquilizern vollpumpen. Isaac Newton war ein amtlicher Fall von Geisteskrankheit. Meine Güte, was ist so großartig an geistiger Gesundheit in einer Welt, die Babys Mikrochips implantiert, um sie von der Wiege bis zur Bahre unter Kontrolle zu haben? Kannst du mir das beantworten?«
    »Fütter die Katze, Luther. Ich komm später vorbei.«
    »Hör mal, ich trage mich mit dem Gedanken, eine Künstlerkolonie zu gründen — du weißt schon, Autoren, Dichter, Maler. Nichts Besonderes, nur ein zwangloses Beisammensein Gleichgesinnter. Ich habe es satt, in diesem großen Haus herumzugeistern, allein, während Carla meint, die Welt retten zu müssen. Ich denke, ein sinnvolles soziales Miteinander täte mir gut, so eine Art Forum, wo ich meine literarischen Vorstellungen präsentieren könnte.«
    »Es dreht sich immer nur um dich«, sagte ich.
    »Genau das habe ich von dir erwartet. Unterstützung auf ganzer Linie.«
    »Tut mir leid, Luther. Ich glaube, das mit deiner Künstlerkolonie ist eine gute Idee.«
    »Du könntest vielleicht dazustoßen. Kontakte aufbauen zu interessanten Bohemiens. Vielleicht lernst du eine Frau kennen, die es glücklich macht, die eine oder andere Nummer mit dir zu schieben, so ganz ohne Verpflichtungen. Was meinst du?«
    »Bohemiens? Diese Leute sind nicht mein Fall. Es gäbe wenig Gesprächsstoff zwischen uns.«
    »Blödsinn, J.P., du hast doch überhaupt keine anderen Leute. Irgendwann endest du als schräger Sonderling, der sich in einem Pornokino einen runterholt und brave Bürger bei Walmart zu Tode erschreckt.«
    »Luther … «
    »Ich meine es ernst. Auf deine Art bist du verrückter als ich.«
    »Bis bald, Luther.«
    Ich legte auf.

16
    Wenn man meint, bestreiten zu müssen, dass man verrückt sei, ist der Moment gekommen, wo man die Grenze zum Verrücktsein überschritten hat. Ich halte mich nicht für verrückter als andere, allerdings weiß ich nichts über andere, außer dass die Chancen fünfzig zu fünfzig stehen, dass dieser Andere die Grenze zum Verrücktsein überschritten hat.
    Ich habe hinreichend oft befremdliches

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