Götterdämmerung in El Paso (German Edition)
fragte Luther.
»Scheint, als wäre Hector Martinez hier.«
»Und darf ich ihm den Kopf abreißen und in den Arsch schieben?«
»Hector hat dir Carla nicht weggeschnappt. Carla hat sich Hector geschnappt.«
»Dazu gehören immer zwei, J.P. Aber egal, wer sich wen geschnappt hat. Hier geht es um meinen Stolz. Der Mann steigt mit meiner Frau ins Bett. Was für ein Licht wirft das auf mich? Was meinst du?«
»Es ist also eine Prestigefrage für dich?«
»Es ist immer eine Frage des Prestiges. Dummerweise leben wir in einem Goldfischglas randvoll mit Prestige. Es gibt kein Entrinnen. An jeder Ecke lauert die Erniedrigung. Der gehörnte Ehemann, mein Freund, ist für die Gesellschaft der Hanswurst.«
»Also ist es Lelanies Bestimmung im Leben, dir wieder zu Ansehen zu verhelfen?«
»Sie verfasst auch kleine Gedichte und ist einsame Spitze beim Scrabble, sofern man nichts gegen kreatives Buchstabieren einzuwenden hat.«
»Du bist ein wunderbarer Mensch, Luther.«
Das Hotel Maria Bonita lag an der Avenida San Lorenzo. Und irgendwann kamen wir tatsächlich dort an, nachdem ich etliche Male falsch abgebogen und an einem Punkt sogar wieder Richtung Grenze kutschiert war.
Ich öffnete das Handschuhfach und nahm den .357er heraus.
Luther sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Wenn die dich damit erwischen, stecken sie dich ins Cereso und werfen die Schlüssel weg.«
»Ich habe nicht vor, damit herumzufuchteln.«
»Was hast du dann vor?«
»Wenn ich es weiß, bist du der Erste, der es erfährt.«
Wir gingen in das Hotel. Der Angestellte an der Rezeption machte ein verdutztes Gesicht, als wir nach Hectors Zimmernummer fragten.
»Sind Sie Freunde von señor Martinez?« Er sprach das Wort »Freunde« aus, als fände er es amüsant.
»Wir haben geschäftlich mit ihm zu tun«, sagte ich.
»Verdad?«
»Ja, tatsächlich. Irgendwas incorrecto hier?«
Er warf einen Blick in die Anmeldung. » No, señor «, sagte er. »Está bien. Señor Martinez hat das Zimmer 22B.«
Doch irgendwas war incorrecto. Ich nahm Luther beiseite. »Geh hoch und sieh nach, wer in dem Zimmer ist. Sollte es sich nicht um Hector handeln, sag einfach, du hast dich in der Tür geirrt.«
Nach nur ein oder zwei Minuten war Luther wieder unten. »Zwei Schläger«, berichtete er. »Skinheads. Muskelshirts und Totenkopf-Tattoos. Wünschte, ich hätte meine Flinte dabei.«
»Du meinst meine Flinte.«
»Diese Waffe ist ein Teil von mir. Ich werde einen Exorzisten brauchen, um sie loszuwerden.«
»Jetzt gehört sie fürs Erste dem Polizeilabor.«
»Hast du eine Ahnung, wer die Leute da oben sein könnten?«
»Huddy Darko und Spode Weems, Kommando der Hans-Brinker-Brigade. Handlanger von Stefan Selbiades, seines Zeichens Dermatologe aus Scottsdale und nachgewiesenermaßen durchgeknallter Immobilien-Multimillionär, der einen Krieg mit Mexiko lostreten möchte. Wahrscheinlich will er sein Engagement in Sachen Immobilien auf den Norden Sonoras und vielleicht weiter Richtung Osten, bis nach Chihuahua ausdehnen. Die Annexion von Baja gehört ebenfalls zum Schlachtplan.«
»Wow! Wovon sprichst du eigentlich? Du wirst mir Nachhilfe erteilen müssen, Mann.«
Ich tat es. Ich informierte ihn sogar über das Geld und seine Geschichte. Dann eröffnete ich ihm, dass er umgehend mit meinem Wagen zu einem Supermarkt fahren müsse, um einiges zu besorgen. Botengänge waren unter seiner Würde, doch es roch geradezu nach dubiosen Machenschaften, hinreichend genug, um seine Adrenalinproduktion anzuwerfen und seinen Stolz Stolz sein zu lassen.
Ich setzte mich in der Zwischenzeit in eine Bar vis-à-vis vom Hotel, bestellte ein Pacifico Light, rührte es aber nicht an. Mein Interesse galt einzig dem Eingang des Hotels, den ich unverwandt im Blick behielt. Ganz klar hatte sich Huddy mit Hectors Namen eingetragen — was den Mann am Empfang dazu genötigt haben musste, zweimal hinzusehen. Huddy sah so mexikanisch aus wie ein Eisbär.
Etwa eine Stunde später hielt Luther mit quietschenden Reifen in einer Wolke aus Staub am Bürgersteig. Er stieg aus, eine Einkaufstüte aus Papier in der Hand. Ich fing ihn vor dem Hotel ab.
»Wir gehen nicht an der Rezeption vorbei«, sagte ich. »Am Swimmingpool gibt es sicherlich einen Hintereingang.«
Niemand tummelte sich im Pool. Nur an den Tischen unter den Cinzano-Sonnenschirmen saßen vereinzelt amerikanische Paare über ihren Margaritas. Der Hintereingang war unverschlossen und wir gingen hinein. Die Tür von
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