Goetterdaemmerung - Roman
voller Soße und Gewürze, dass man sich kaum noch wunderte über die Sturzbäche von eisgekühltem Bier, mit denen der Herzog seinen Brand löschte; niemals nahm er Salat oder Wildbret, selten Fisch, den er fad fand, manchmal einen kleinen Schluck Likör oder sehr alten Cognac zum Nachtisch, wobei er zugleich mit seinen Schatullen hantierte, die ihm die Belcredi holte.
Denn zu diesem Zeitpunkt hatte der Herzog damit begonnen, das «Offizielle Verzeichnis» seiner Edelsteinsammlung anzulegen. Dabei half ihm ein gewisser Herr Van Moppes, ein Juwelenexperte, der früher einmal einige Kleinigkeiten an Giulia verkauft und den sie Seiner Hoheit vorgestellt hatte. Wenn man hereinkam, sah man auf einem hohen Stuhl den Juden sitzen, er hatte sein strenges Auge auf einen Diamanten geheftet, und mit seinem aschgrauen Gesicht und der geduckten Haltung erinnerte er stark an eine Kröte: Und immer hatte er vor sich seine unvermeidliche Waage stehen, sodass seine zwei Buckel, an Brust und Rücken, wie deren Etui erschienen. Gleichzeitig verschwand das Ruhebett, in dem Karl von Este über seinen Assistenten saß, unter mehr als zwanzig Millionen Edelsteinen aller Sorten, Diamanten, Rubinen, riesigen Türkisen, Smaragden von der Größe einer Ringlotte 95 ; und im Schein der Kandelaber glich der bärtige und bewegungslose Herzog, dessen Finger bis hin zum Daumen tausend glitzernde Feuer warfen und dessen Brust vollständig mit Ketten behängt war, einem Theaterkönig auf seiner Estrade.
Herr Smithson und der Juwelenexperte gaben sich große Mühe, die Zahlen genau zu prüfen und die Diamanten zu wiegen, denn Karl von Este hatte sich nach Hans Ulrichs Tod zu einem Schritt entschlossen, für den er sein Vermögen ordnen musste: Er wollte sein Testament machen. Doch empfand der Herzog keine Freude dabei, seine Angelegenheiten zu bereinigen, war er doch zwischendurch mit etwa zwanzig hochfahrenden Prozessen beschäftigt, denn er war es leid gewesen, seinen Geist zu ermüden, und hatte mit einem Schlag gegen alle Kostenaufstellungen seiner Bauunternehmer geklagt; aber was waren schon die paar Hunderttausend strittigen Franc im Vergleich zu der ungeheuren Geldsumme, die das Testament enthüllte: fünf Millionen für Christiane, zahlbar bei ihrer Heirat, fünf weitere beim Tod des Herzogs; fünfzehn Millionen für Graf Franz; und über den Rest, id est, fast dreihundertdreißig Millionen, verfügte der kostbare Entwurf:
Unsere Schlösser, unsere Grundstücke, unsere Wälder, unsere Minen, unsere Salinen, Paläste, Häuser, unsere Parks, unsere Bibliotheken, Gärten, Steinbrüche, Diamanten, Juwelen, Silberwaren, Gemälde, Pferde, Wagen, Porzellan, Möbel, Bargeld, Staatsgelder, Banknoten, und insbesondere jener bedeutende Teil unseres Vermögens, der uns genommen und seit 1866 in unserem Herzogtum Blankenburg gewaltsam vorenthalten wird,
das alles überließ der Herzog seinem lieben Otto, mit der Auflage, daraus einige Legate zu zahlen, die in späteren Kodizillen 96 noch festgelegt würden. Es gab äußerste Aufregung und Getuschel im Palais, als man von dem Testament erfuhr. Da man nur ungefähres und dies über sich widersprechende Gerüchte erfuhr, die zu verbreiten Herr von Oels sich amüsierte, argwöhnte jeder, dass sein Nachbar seinen Anteil am Kuchen geschmälert habe, bis hin zu der guten Augusta, die tapfer der gefährlichen Zugluft die Stirn bot, sich der Sängerin zu Füßen warf und sie anflehte, ihr weiterhin Gunst und Wohlwollen zu gewähren. Die Belcredi war nämlich inzwischen in einer glänzenden Position, wie sie bei Seiner Hoheit noch niemand erreicht hatte. Sie teilten Tisch und Bett; Karl von Este folgte der jungen Frau auf Schritt und Tritt. Sie waren jetzt vereint, voller Liebkosungen und Zärtlichkeiten, und Giulia nahm zwanzigmal täglich die Befehle ihres «teuren Fürsten» für ihre Toilette oder ihre Beschäftigungen entgegen.
Dem kapriziösen Mann gefiel sie wegen ihrer erlesenen Vornehmheit, ihrer Finesse und Zurückhaltung. Während der Arbeitszeit, in der sich der Herzog zusammen mit Herrn Smithson mehr denn je abmühte, las die Sängerin oder machte Stickereien, war stets über ihr Garn gebeugt. Inmitten der Zahlenberge, mit denen Seine Hoheit stur sein Testament unterfütterte, sah sie unendliche Ländereien, wenig Schulden, ein Peru voller Silber und Edelsteinen, Christiane und Franz wären zu versorgen und Otto zweifellos zu begünstigen; aber das konnten nicht allzu hohe Beträge sein, und wie
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