Goetterdaemmerung - Roman
Billett des Marquis von Courson erhielt, worin ihm dieser amüsant berichtete, wie die Italienerin aus allen Wolken gefallen sei, von ihren Schluchzern, ihren Ausbrüchen, ihrem Jammern, den Pistolen, die ihre Tugend bewachten, und dass er, weil er keinen anderen Ausweg aus dieser grotesken Szene sah, schließlich vorübergehend bei einem Freund untergekommen sei und so aus Ritterlichkeit der Dame das Feld geräumt habe.
Doch wie unnütz war dieser Sieg! Emilia verzehrte sich in dem verlassenen Haus damit, zuzusehen, wie die so kostbare und bewegte Zeit ergebnislos verrann. Als sie am Ende ihrer Geduld war, schrieb sie, aber Franz schickte den Brief zurück und hatte neben die Unterschrift nur folgende Worte hinzugefügt:
Die Art und Weise Ihres Handelns zeugt nicht von einer Person «comme il faut».
Wer den so sehr von Schicklichkeit besessenen Grafen kannte, wusste, dass dies der höchste Tadel war, den er auszusprechen vermochte; und Giovan, der einige Stunden später unerwartet erschien, bestätigte, dass alles verloren sei, und wenn man sich jetzt versteife, würde man damit sicherlich nichts anderes erreichen als den Eklat eines endgültigen Bruchs. Zum Abschluss der Komödie schrieb Emilia einen entschuldigenden Brief; danach pustete sie in die Hand, um ihre Tränen zu trocknen, und nachdem sie das Unheil bringende Saint-Germain verlassen hatte, zog die junge Frau in die Rue d’Orléans in der Nähe des Bois de Boulogne, wo Giovan ihr übergangsweise Kost und Logis bot, obwohl sie wie ein zusätzlicher Mühlstein an seinem Hals hing.
Tatsächlich hatte der Italiener die längste Zeit in der Gunst des Herzogs gestanden. Die Zerstreuungen, mit denen er zuvor seinen Herren geleitet hatte, und die Späße, die höheren Zielen dienten, verloren ihre Würze und wirkten wie aufgewärmt.
«Geh! Es ist gut, mein armer Giovan!», sagte Karl von Este schläfrig; und der Ton wurde spitzer und nach dem seltsamen Abenteuer von Saint-Germain von Tag zu Tag noch gebieterischer und schneidender. Arcangelis apfelgrüne Krawatten, seine niedrige, beschränkte, engherzige und zu sehr nach dem schmutzigen Ort seiner Herkunft riechende Gesinnung bis hin zu seinen Korallenberlocken 94 begannen, den Herzog zu ermüden, sodass ihm alles, was sein Narr tat, gegen den Strich ging. Der Italiener schien sich damit abzufinden und ließ es über sich ergehen. Aber sein Herz blutete insgeheim ob dieses vollständigen Sinneswandels. Er war der wichtigste Mann im Haus gewesen und für alles zuständig, vom Leeren des Nachttopfes seiner Hoheit bis dahin, dass er mit ihm gemeinsam, nach dem Abendessen, das Herzogtum zurückeroberte, und nun half er seinem Herrn lediglich bei der Toilette, die nüchtern, gezwungen und schweigend ablief; oder aber, wenn er einen Luftsprung riskierte, gebot ihm der Herzog mit einem eisigen Blick Einhalt, und gleich darauf wandte er sich wieder seinen Zahlen und Rechtsgelehrten zu, die zurzeit seine einzige und wenig amüsante Gesellschaft bildeten.
Alle Widrigkeiten, die ihn plötzlich heimsuchten, rührten aus keinem anderen Schlangennest als dem Hôtel Beaujon selbst. Nachdem er in seiner ersten Begeisterung den zwei Architekten großartige Geschenke geschickt hatte, war Herzog Karl vor dem Bezahlen darauf verfallen, ihr kryptisches Geschreibsel zu überprüfen. Er war erschrocken über die kleinen Unterschlagungen, und da er immer mehr Ehrgeiz entwickelte, die Zahlen zu durchschauen, je mehr er sich mit ihnen beschäftigte, ließ unser Herzog eines schönen Tages die Gesamtverzeichnisse in sein Gemach karren, die Pachtverträge, Rechnungen, Abschlüsse, die Liste der Einnahmen und Ausgaben, über denen er nun bald gemeinsam mit Herrn Smithson seine Vormittage verbrachte, um auch noch die undurchsichtigste und tiefste Arithmetik zu entschlüsseln.
Zur Belcredi kam er dann mit noch ganz vernebeltem Geist; Giulia richtete nun all ihre Sorge darauf, ihn zu zerstreuen und ihren Tisch und ihr Gemach für ihn mit Blumen zu schmücken, sodass Karl von Este, der der Etikette überdrüssig war, es sich zur Gewohnheit machte, tête-à-tête mit ihr Mittag zu essen. Dabei bekam jeder seine eigenen Gerichte; sie in reicher Vielfalt, denn sie liebte es, von allen Dingen zu essen; der Herzog nur recht wenige und immer die gleichen: viele Früchte zu Beginn des Mahls, vor allem Melonen und Feigen, gebratene und gekochte Kapaune, Tauben und Wild und täglich Pasteten mit Käse, Kaviar oder Mohnsamen; doch all das war so
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