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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
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zurückzog, «denn er schätzte Fisch und Fleisch gleichermaßen», wie Herr von Oels sagte, säte Otto Chaos im Park, sprengte riesige Felsbrocken, ließ das Wasser aus dem Teich, riss die Gitter aus der Verankerung und hatte die Taschen stets mit Dynamitkartuschen vollgestopft. Als ihm nichts mehr Neues einfiel, wollte er am eigenen Leib erfahren, wie es ist, vom Wipfel eines Baumes zu stürzen, der gerade gefällt wird; man muss es als wahres Wunder bezeichnen, dass er sich dabei nicht alle Knochen brach. Aber das war seine letzte Heldentat; La Roche-Brûlée langweilte ihn und er kehrte auf schnellstem Wege nach Paris zurück.
    Dort erschien alles, was man bisher von ihm gesehen hatte, geradezu als Spiel und Gelächter. Man kann sagen, dass der Abszess aufging und der Eiter, der Otto wie besessen machte, ihm aus den Augen quoll. Seine Rasereien nahmen kein Ende mehr; ein solcher Taumel an Perversität erstaunte selbst Karl von Este. An einer dunklen Stelle im Wald hätte man Angst vor ihm bekommen, vor seiner Leichenblässe, seinen scheelen und wilden Blicken und dem erschreckenden Tick, andauernd den Kopf nach vorne zu werfen, als wolle er seinen Dämon erbrechen. Allnächtlich las man Otto auf und trug ihn sturzbetrunken zu Bett; dann gegen Mittag, wenn er erwachte, folgte ein äußerst seltsames Defilee von Zuhältern, Gaunern, Kupplern, nach Moschus stinkenden Matronen, schmutzigen Bärten, Kutschern. Sie umringten Otto und rühmten ihn; man drängte ihn, zu kommen und zu schauen, jeder Beruf auf seine Art: «Ein neues Bild von außergewöhnlichem Wert.»
    Zwölf oder vierzehn Stunden am Stück standen die Pferde des Herzogs in vollem Geschirr vor schimpflichen Hausnummern. Seine Raserei wurde schrecklich; man musste sich vor ihm klein machen und zittern wie Gras: Egal, wie viele unerhörte Zerstreuungen voll maßloser Ausschweifung es sein mochten, mit denen er seinen Genuss verdoppelte und verdreifachte – sie konnten seine Wollust nicht befriedigen. Selbst entkräftet und geschwächt war er noch unersättlich; schon ein glimmender Holzscheit erweckte und entflammte ihn, zwang ihn ruhelos fortzulaufen, um sich an irgendeinem banalen, schlimmen Ort zum Hengst zu machen … Schließlich verließ er die entsprechenden Häuser gar nicht mehr, richtete sich dort auf Wochen ein – sodass Karl von Este das freie Appartement einige Tage lang für die Prinzessin von Hanau zur Verfügung hatte, eine arme, katholische Verwandte, die wegen eines Zwischenfalls mit ihrem Gepäck unmittelbar nach ihrer Ankunft ohne Garderobe und ohne Geld auf der Straße stand.
    Der Herzog und sie hatten sich seit beinahe achtzehn Jahren nicht mehr gesehen und Seine Hoheit, der seine Cousine in ihren Jugendjahren anziehend gefunden hatte, verbrachte geraume Zeit damit, sich zu wundern, «Sophie so verändert» vorzufinden. Sie war eine erstaunlich magere Frau und so groß, dass sie von Weitem Angst einflößte, und hatte ein glühend rotes Gesicht und lange Hexenzähne. Sie war aber ganz im Gegenteil die Ehrbarkeit und Rechtschaffenheit in Person, ihr Gemüt heiter, ihr Geist wach und voll natürlicher Anmut; ihre eifrige Wohltätigkeit hatte sie dazu veranlasst, buchstäblich ihr ganzes Vermögen hinzugeben, um die Armen zu ernähren und Hospitale zu bauen. Die guten Werke, Almosen, Gebete zu Hause oder in der Kirche, einige wenige Besuche in der Gesellschaft, für die sie zwar eine Neigung hatte, die sie jedoch nur sehr zurückhaltend auslebte, bildeten die Grundlage ihres Lebens. So viel Frömmigkeit und Tugend, die in den nun schon vierzehn Jahren ihrer Witwenschaft niemals nachgelassen hatten, führten dazu, dass sich der Herzog stets verpflichtet fühlte, dieser Verwandten eine besondere Hochachtung entgegenzubringen; aus diesem Grund hatte Christiane als Kind einmal einen ganzen Sommer in Begleitung der Prinzessin verbracht, in einer Art Kloster, das die früheren Grafen von Hanau im anmutigsten Teil von Tirol erbaut hatten.
    Deshalb war Gräfin Christiane auch die Erste, nach der sich Frau Sophie erkundigte, wobei sie ohne Unterlass von ihrer früheren Liebenswürdigkeit und Lebhaftigkeit sprach, die sie heutzutage gewiss mit den anmutigsten Reizen versähen. – «Ach!, sie hat sich verändert, ziemlich verändert!», sagte Karl von Este leichthin und ließ keine allzu große Neigung für das Thema erkennen … Doch da die Begegnung früher oder später stattfinden musste, begaben sich die beiden am späten Nachmittag zu

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