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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
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viele schöne und stattliche Millionen würden übrig bleiben! Und auf dem Gipfel der Gunst, auf dem sich Giulia nun angekommen glaubte, umnebelte ihr die Hoffnung den Kopf.
    An einem Tag Ende März wurde das Testament verkündet und dieser Verkündung folgte eine recht erstaunliche Szene, die durchaus dem theatralischen Geschmack Karl von Estes entsprach. Als er eines Abends nach dem Essen den Tapisserie-Saal betrat, ging der Herzog auf seine soeben versammelten Vertrauten zu, nahm seinen jüngsten Sohn bei der Hand, ließ den Blick langsam über die bewegungslose Gesellschaft schweifen und erklärte, ohne das Wort dabei an jemanden bestimmten zu richten, dass Otto all seine Adels- und Ehrentitel, seine Besitztümer und das Herzogtum Blankenburg als Nachfolger erhalte; und gleich danach, einige Schritte zum anderen Ende des Salons schreitend, rief Karl von Este den Grafen Franz herbei. Mit Entschuldigungen, wie wenig es sei, eröffnete er ihm nun, dass er ihm testamentarisch fünfzehn Millionen zudachte, und zählte den übermäßigen Anteil von Otto auf: «Doch braucht es nicht weniger, meine lieben Kinder, wenn man seinen Rang behaupten will …»
    Daraufhin nahm Herzog Karl Franz bei den Schultern und drückte sie herunter, damit er sich beuge, und bat seine beiden Söhne, sich in seinem Beisein zu umarmen und nach seinem Tod eine unverbrüchliche Freundschaft zu bewahren; dann umarmte er sie selbst, während der gesamte kleine Hof zu ihnen stürzte, um sie zu beglückwünschen.
    «Und mir, teurer Fürst», sagte Giulia eine Stunde später zu ihm, während sie ihre Ringe ablegte, «mir werdet Ihr also nichts geben?»
    Er sah sie an; sie lächelte ihr rätselhaftes Lächeln, und da Karl von Este ein Glas Zichorienwasser trank, wie er es jeden Abend tat, antwortete er: «Nehmt», sagte der Herzog im Scherz, und die Belcredi schluckte einen tiefen Zug von der Medizin, die zweifelsohne weniger bitter war als ihre Enttäuschung.
    Das war also alles, was dieser Märzmonat, den sie als so köstlich und lohnend erwartet hatte, für sie einbrachte. Doch empfand die seltsame Sirene darüber nicht die geringste Besorgnis, vielmehr verdoppelte sie ihren Eifer und ihre Fröhlichkeit bei Seiner Hoheit, zum äußersten Missfallen des Italieners.
    «Mach nur, zänkisches Weibsbild! Müh dich nur ab und hüte dich vor dem Fall!», murmelte er achselzuckend, denn seine eigene, plötzliche Ungnade zeigte ihm, dass auch immer der Stock über den anderen schwebte. Nein!, das würde ganz gewiss nicht so weitergehen; diese schöne Gunst würde sich ebenfalls in Luft auflösen – «Verstanden, du unverschämtes Miststück!» –, schloss der Narr in der Galerie des Saisons 97 , wohin ihn Seine Hoheit verbannt hatte, als er seiner Rivalin nachsah: Es war eine schwere Buße zu sehen, wie sie vorbeiging und zwanzigmal am Tag beim Herzog eintrat, immer heiter, ein wenig nonchalant mit ihrer offenen, graziösen und müßigen Ausstrahlung. Nur manchmal verriet ein Blick in den Spiegel eine verborgene Hoffnung, als habe die hochmütige Zauberin sich selbst zugelächelt, weil sie in ihren Augen und auf ihrem herrlichen Antlitz etwas fand, mit dem sie ihre Absichten umsetzen und all ihre Widersacher niederwerfen könnte.
    Seit acht Tagen erschien Graf Otto, den man zuvor nie zu Gesicht bekommen hatte, häufig und sogar regelmäßig bei seinem Vater. Er kam frühmorgens und setzte sich auf einen Nachtstuhl, dann, bei einem üppigen Frühstück, umgeben von seinen Jagdhündinnen, denen er ihren Anteil zuwarf, hielt der junge Mann seine Sitzung am Kopfende des Herzogs, der sich zwar entzückt zeigte, aber letztlich durch diese unvermittelte kindliche Liebe nichts hinzugewann als den Gestank von Stuhlgang. Er konnte noch von Glück sagen, wenn der liebe Kleine ihm nicht den Bart versengte mit den Raketen und dem Geknatter, mit dem er sich vergnügte, und nur halblaut seine üblichen Flüche losließ, wenn Giulia zufällig einen Bissen nahm, nach dem ihm der Sinn stand.
    Allerdings war sie die Einzige, die sich ihm etwas annäherte und versuchen konnte, sein hitziges und fürchterliches Gemüt zu zügeln. Das ganze Haus zitterte vor Otto; dank der Bevorzugung durch seinen Vater war er Herr über alles und wild wie jene Tiere, die nur zum Verschlingen geboren scheinen, und sogar seine Zerstreuungen ließen den Tyrannen und den Wüterich spüren. Mit seinem gelblichen und ungesunden Teint, seinem großen, wackelnden Kopf, dem Einfluss

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