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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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seinen Horchposten im hohen Gras vor den Füßen der beiden misstrauischen Götter. Leise fluchend legte er etwa hundert Meter auf seinen dürren Krallen zurück, bevor er es wagte, abzuheben und wieder einmal in Richtung seines unerbittlichen Arbeitgebers zu starten.
     
    Baldur sagte «Da! Da kommt er», und deutete auf den näher kommenden Raben. Er räusperte sich, wandte sich kurz nach seinem Bruder um und murmelte verlegen «Entschuldige».
    «Macht doch nichts», erwiderte Hödur verzeihend, wollte den Unterarm seines Bruders berühren und tätschelte stattdessen das Holzgeländer des Aussichtsturmes, auf dem die beiden standen und warteten.
    Baldur richtete sich zu voller Größe auf und winkte mit beiden Armen.
    Hugin entdeckte die fuchtelnde Gestalt auf dem Turm und legte seine Rabenstirn in Falten. Was sollte das werden? Davon abgesehen, dass er zum Ansteuern von Asgard schon seit Jahrtausenden keinen Fluglotsen mehr brauchte, hatte Baldur ihm noch nie zugewinkt. Trotzdem änderte der Rabe seinen Kurs und steuerte auf die Söhne seines Gebieters zu. Er breitete die Flügel aus, landete anmutig auf dem Geländer und blieb erhobenen Schnabels sitzen. Man sah jeder seiner Federspitzen an, dass er ein Rabe in geheimer Mission war und eigentlich keine Zeit für eitles Geschnatter hatte.
    «Was gibt’s?», fragte er stolz. «Ich hab’s ziemlich eilig.»
    «Hast du die Namen?», fragte Baldur und näherte sich dem Rabenschnabel auf Hackweite.
    «Ja. Sonst noch was? Ich muss zu eurem Vater.»
    «Verrätst du sie mir?»
    «Du weißt ganz genau, dass ich Odins Befehlen unterstehe. Und zwar
ausschließlich
Odins Befehlen. Tut mir leid, Jungs …»
    «Hör mal, Hugin», sagte Baldur sehr sanft und zupfte abwesend einen Holzsplitter aus dem Turmgeländer. «Du hängst doch an deinem Bruder, oder?»
    «Natürlich hänge ich an meinem Bruder. Nur habe ich im Moment keine Zeit … Was soll das heißen?»
    Hugin sah die beiden Götter abwechselnd an. Hödur schmunzelte. Baldur ließ das Holzstück fallen und rieb sich interessiert einige Staubkörnchen vom Daumen.
    «Och, nichts», sagte er. «Erzählst du mir, wie die Sterblichen heißen?»
    «Wie oft soll ich das denn noch sagen? Nein.» Hugin breitete die Flügel aus.
    «Hübsches Gefieder hast du da», sagte Baldur anerkennend und zog eine kohlrabenschwarze Feder aus seinem Gürtel. Er zwirbelte sie betont lässig zwischen Zeige- und Mittelfinger, während er Hugin mit gespitzten Lippen ansah. Hugin starrte die Feder an.
    «Er hat nicht mal gekräht», fuhr Baldur freundlich fort. «Dein Bruder ist ein sehr tapferer Rabe.»
    Hugin holte aus und versuchte die Hand des Tierquälers mit dem Schnabel zu treffen. Baldur zog sie blitzschnell aus der Hackrichtung und ignorierte den Angriff einfach.
    «Also, Hugin … ich will es mal so sagen: Ich weiß nicht, wie dein Bruder ganz ohne Federn aussieht, aber wenn du jetzt nicht auf der Stelle die Namen rausrückst, werden wir’s ziemlich bald wissen.»
    Hugin schluckte.
    «Wo ist er? Was habt ihr mit ihm gemacht!?»
    «Die Namen.»
    Als anständiger Rabe schwankte Hugin nur sehr kurz zwischen Gehorsam und familiärer Verbundenheit. Leise krächzend gestand er alles, was er wusste. Baldur begleitete die Aufzählung mit zufriedenem Nicken.
    «Und jetzt», sagte er, «fliegst du zu unserem Vater und nennst
ihm
die Namen der bösen, bösen Sterblichen, die auf dem Weg hierher sind. Ja?»
    «Gut», nickte der Rabe. «Und ihr lasst meinen Bruder frei.»
    «Versprochen. Bei meiner Ehre.»
    «Bah!»
    Hugin flatterte mit möglichst majestätischen Flügelschlägen in die Höhe. Baldur sah ihm lächelnd zu.
    «Ach, Hugin?»
    «Ja. Was denn noch?»
    «Oh, nur eine Kleinigkeit. Nicht, dass wir uns missverstehen, aber – solltest du meinem Vater versehentlich die
richtigen
Namen verraten … ich habe mir schon immer einen ausgestopften Raben für mein Schlafzimmer in Breidablick gewünscht. Wir verstehen uns?»
    «Ja», krähte Hugin niedergeschlagen und flatterte davon. Baldur wandte sich an Hödur und legte ihm die Hände auf die Schultern.
    «So, Bruder», sagte er, «dann wollen wir uns die Sterblichen mal ansehen.»
    «Gut.» Hödur nickte. «Aber meinst du, dass wir dem Raben trauen können?»
    Baldur zuckte die Achseln. «Keine Ahnung. Er wird uns ein bisschen Zeit verschaffen. Und wenn er es Vater irgendwann verrät, sind Athenes Auserwählte wahrscheinlich schon hier. Komm, Hödur», sagte er und zog seinen Bruder mit

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