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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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noch … Iduna euch mit den Dingern versorgt und euch so ewiges Leben schenkt. Richtig?»
    Für einen Augenblick geriet Thor leicht aus der Fassung und wusste nicht, was er sagen sollte. Erasmus betrachtete den Hammer und nickte anerkennend.
    «Aha. Das ist also Mjölnir. Ein schönes Stück, wirklich. Großartige Arbeit.» Er überlegte kurz und blickte wieder auf. «Jetzt wird mir einiges klar», sagte er. «Das bedeutet also, nicht nur die Griechen sind für diese Katastrophe verantwortlich, sondern auch ihr … Ist euch eigentlich schon aufgefallen, dass ihr im Begriff seid, die gesamte Menschheit auszurotten? Mit Stumpf und Stiel, sozusagen? Ich meine, nicht, dass ich eure Beweggründe nicht in gewisser Weise nachvollziehen könnte …»
    Thor wuchtete Mjölnirs Kopf vom Asphalt hoch. Ein lautes, schrilles Kreischen begleitete seine Bewegung.
    «Du stirbst, Wurm», sagte er.
    «Ich?»
    «Du.»
    «Aha.» Erasmus nickte nachdenklich. «Aber wieso denn?»
    «Weil es der Wille der Götter ist.»
    Langsam wanderte der Hammerkopf in den Nachmittagshimmel.
    «Gut», sagte Erasmus, ohne den Hammer zu beachten. «Gut. Das ist eine Erklärung, die wohl letztlich für jeden von uns Sterblichen zutrifft. Nur haben bekanntlich die wenigsten das Glück, von dir und Mjölnir persönlich zu ihren Ahnen geschickt zu werden, also muss es wohl noch einen weiteren Grund geben, oder?»
    «Den gibt es.»
    «Macht’s dir was aus, mir davon zu erzählen?»
    «Du bist ein Verbündeter der Griechen.»
    «Der Griechen? Aber nicht … aller Griechen, oder?»
    «Ein Verbündeter der Schlange Athene, Nichtswürdiger!»
    «Athene. Ach so.» Erasmus überlegte. «Das heißt also … dass uns nicht alle Griechen zu sich holen wollen. Richtig?»
    «Richtig.»
    «Nur Athene?»
    «Sie und einige andere Verräter.» Thor langweilte sich. Er ließ den Hammerkopf hinter seinen Rücken sinken.
    «Aber – entschuldige mal», sagte Erasmus und griff sich konzentriert an die Stirn. «Gehe ich recht in der Annahme, dass sich die Griechen nicht einig sind und dass die meisten von ihnen uns töten wollen?»
    «So ist es.»
    «Und du willst uns auch töten?»
    «Ja.»
    «Tatsächlich? Mhm. Es überrascht mich, ehrlich gesagt, dass du auf der Seite der Griechen kämpfst. Ich dachte immer, die Asen …»
    «Ich?!» Thor schnaubte empört. «Niemand hasst die Griechen mehr als ich!»
    «Warum arbeitest du dann mit ihnen zusammen?»
    «Stirb, Mensch!!», schrie Thor und spannte seine gewaltigen Muskeln an.
    «Von einem Asen erschlagen, der mit den Griechen gemeinsame Sache macht! Was für ein Tod!», jauchzte Erasmus mit ausgestreckten Armen und strahlte von Ohr zu Ohr.
    Thor entspannte sich und ließ den Hammerkopf seitlich aufs Pflaster donnern.
    «Hör zu, Wurm!» schnaubte er. «Ich hasse die Griechen.»
    «Aber du tust ihnen doch einen Riesengefallen, wenn du uns tötest.»
    Schwerfällig gerieten Thors Gehirnzellen in Bewegung.
    «Unsinn!», brüllte er halbherzig.
    «Oh, nein. Keineswegs. Das liegt doch auf der Hand. Sieh mal, wenn die Griechen uns töten wollen und du ein Feind der Griechen bist, kannst du uns nicht auch töten wollen. Das ergibt keinen Sinn. Wenn du uns tötest, stehst du auf der Seite der Griechen. Und wenn du die Griechen nicht leiden kannst, wirst du nicht so dumm sein, uns zu töten.»
    Thor stützte sich auf Mjölnirs Griff, senkte den Blick und schob nachdenklich die Unterlippe vor. Erasmus versuchte mit Hilfe einiger Stirnfalten, die Schweißtropfen zurückzuhalten, die sich an seinem Haaransatz gesammelt hatten. Diana betrachtete die beiden Gestalten und bekam keinen einzigen klaren Gedanken zu fassen.
    Nach einer schweigsamen Minute nickte der Gott mit dem Hammer bedächtig und sah auf.
    «Stimmt», sagte er, riss Mjölnir vom Pflaster hoch und verschwand mit einem leisen Fauchen in Sphären, die jenseits von Raum und Zeit liegen.
    Erasmus atmete hörbar aus und machte auf dem Absatz kehrt. Er ergriff den Arm seiner noch immer fassungslos dastehenden Begleiterin und zog sie mit sich.
    «Komm», sagte er. «Wir müssen uns beeilen. Bevor dieser Riesentrottel von einem Gott spitzkriegt, dass wir ihn reingelegt haben.»
    Diana nickte. Als Erasmus auf den Beifahrersitz kletterte, hatte sie sich bereits angeschnallt und ließ den Range Rover mit durchdrehenden Reifen gen Stonehenge fliegen.

5
    Gwenddolau zuckte die Achseln und strich ihrem ruhig dahintrabenden Pferd über die Halsmuskeln. «Ach, weißt du», sagte sie, ohne

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